Leben in Kottenforst Ein paar Häuser, schlechter Handyempfang und ein Bahnhof

Bäume, viele Bäume: Erst nach und nach geben sie den Blick auf die knapp 15 Häuser am Bahnhof Kottenforst frei. So als ob sie sie verstecken wollten, die kleine Siedlung, die zu Lüftelberg gehört und deren Straßen aus dem Wald nahezu direkt wieder in denselben hineinführen. Einst standen dort lediglich das schmucke Bahnhofsgebäude aus Fachwerk, das 1880 fertig gestellt wurde, und ein Bauernhof. Nach und nach kamen Villa, Sägewerk und Forsthaus sowie in den vergangenen Jahrzehnten Ein- und Mehrfamilienhäuser hinzu.

 Beliebtes Ausflugslokal: Der Bahnhof Kottenforst zieht im Sommer viele Menschen an, Züge halten aber nur selten.

Beliebtes Ausflugslokal: Der Bahnhof Kottenforst zieht im Sommer viele Menschen an, Züge halten aber nur selten.

Foto: Hannah Schmitt

Was blieb: Die Abgeschiedenheit des Waldes, die an diesem Morgen nur durch das schrille Piepsen der Bahnschranke durchbrochen wird - das allerdings in regelmäßigen und nicht allzu langen Abständen. Dann dauert es nicht lang bis die Regionalbahn 23 anrauscht. Darauf dass sie hält, warten Anwohner unter der Woche allerdings vergeblich.

"Nur am Wochenende und an Feiertagen können Reisende am Bahnhof Kottenforst in die Züge ein- und aussteigen", erzählt Hans Selz. Er sitzt in Jägerkluft mit Bekannten im Biergarten der Wald-Gaststätte im Bahnhofsgebäude, die seine Frau Sonja und sein Sohn Tobias führen. Seit 2009 kümmern sie sich um das Ausflugslokal, das Sonja Selz' Eltern 1967 übernommen hatten. "Wir haben alles versucht", sagt der 55-Jährige, der mit seiner Familie direkt über der Gaststätte lebt. "Aber vor Jahren hat die Bahn erklärt, dass dann zu viele Haltepunkte zu kurz hintereinander lägen. Das wäre zu teuer." So ziehe der Bahnhof Kottenforst zum Bedauern aller Anwohner von Montag bis Freitag den Kürzeren - obwohl er 2012 noch saniert worden sei, sagt Selz. Denn: Wenige Minuten zuvor hält die Bahn in Witterschlick, kurz danach im Industriepark und am Bahnhof Meckenheim.

Selz fühlt sich dennoch wohl - mit der Natur direkt vor der Haustür. Der Wald ist hier von keinem Haus mehr als einen Katzensprung entfernt. "Wenn ich ausspannen will, schalte ich das Handy aus und setze ich mich drei bis vier Stunden in den Wald." Apropos Handy ausschalten: Das sei nur nötig, wenn man das D 1-Netz nutze, sagt Selz. "Alle anderen haben hier Schwierigkeiten."

Probleme hat häufig auch, wer kein Auto besitzt. Die nächsten Bushaltestellen liegen, wie Hans Selz erzählt, an der L 113 oder 2,5 Kilometer entfernt in Lüftelberg. "Die Kinder haben wir früher immer mit dem Auto zum Schulbus nach Lüftelberg fahren müssen", erinnert sich der 55-Jährige. Auch zum Einkaufen sei ein Wagen wichtig. "Sonst können sie nur samstags gehen, wenn der Zug auch hier hält." Günter Nehrenst braucht dennoch kein Auto. Er wohnt nur wenige Hundert Meter entfernt, auf der anderen Seite Gleise. "Ich bin leidenschaftlicher Radfahrer und hätte für mich deshalb keine bessere Wohnung finden können", sagt der 83-Jährige.

Seit der Zahnarzt vor 18 Jahren pensioniert wurde, lebt er am Bahnhof Kottenforst. "Ich gehe jeden Tag raus und erledige alle Einkäufe mit dem Fahrrad. Das geht wunderbar, die sieben Kilometer bis Meckenheim." Seine Nachbarin ist nicht mehr ganz so mobil. "Aber die Nachbarn regeln alles für mich, das ist anders als in der Stadt", sagt die 55-Jährige, die namentlich nicht genannt werden möchte. "Wir sind wie eine große Familie." Sie wolle gar nicht dort weg, auch wenn sie manchmal das Gefühl habe, die Siedlung werde von der Stadt vergessen. "Nur wenn Wahl ist, dann stehen die Politiker sogar vor der Tür."

Kurt Bertram (44) ist am Bahnhof Kottenforst aufgewachsen und war "nur mal kurz weg". Es sei wie im Paradies mit der Naherholung, eine Wohnqualität, die ihresgleichen suche, sagt Bertram mit Nachdruck. Nur Ältere oder Menschen mit Handicap seien aufgeschmissen, vor allem weil die Bahn nicht mehr täglich fahre. Dennoch sei die Siedlung gar nicht so abgeschieden. Bertram: "Im Sommer ist hier die Hölle los, da wimmelt es von Fußgängern und Radfahrern."

Wie Pützchens Markt sei es dann, erzählt auch Christian Münch. "Dann setzen wir uns vor das Haus, nur um zu gucken, wer vorbeikommt." Münch wohnt mit seiner Familie direkt an den Bahngleisen, kann den Zug durch das Fenster vorbeifahren sehen. "Aber den Lärm hören wir schon gar nicht mehr. Wenn wir draußen reden, machen wir automatisch kurz Pause und dann geht es weiter." So simpel ist das. Warum er vor sechs Jahren hergezogen ist? Es sei günstig und für seine Tochter sei es schön, abgelegen zu wohnen, mit Pferden und Ziegen in der Nähe. Nur ein paar Spielkameraden mehr könnten es noch werden. Deshalb hätte die Familie auch nichts dagegen, wenn noch ein paar Häuser dazu kämen.

Die Siedlung um ein Baugebiet zu erweitern, ist laut Hans Selz mal im Gespräch gewesen, auf dem Gelände, auf dem früher das Sägewerk stand und wo sich nun ein Energieunternehmen angesiedelt hat - zumindest vorübergehend, solange die Stromtrasse erneuert wird. Auch von einer Lärmschutzwand entlang der Gleise sei mal gesprochen worden, sagt Selz. Davon hält er allerdings nichts: "Falls so eine Wand käme und sie dann von unserem Biergarten aus in den Wald gucken wollten, würden sie nichts mehr sehen außer Beton", sagt Selz. Dabei würden die Menschen aus Bonn das Ausflugslokal nutzen, um mal aus der Betonwüste raus zu kommen. Raus aus der Stadt, rein in die kleine Siedlung - inmitten von Bäumen, vielen Bäumen.

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