Interview mit Michael Geffert Astronom erläutert, was die Heiligen Drei Könige geleitet haben könnte

In Gemälden wird er prachtvoll und mit langem Schweif dargestellt: der Stern von Bethlehem. Doch was weiß man wirklich über diesen spektakulären Himmelswegweiser? Der in Roisdorf lebende Astronomen Michael Geffert (59) erläutert im GA-Interview, was die Heiligen Drei Könige geleitet haben könnte.

 Leidenschaftlicher Sterngucker: Michael Geffert.

Leidenschaftlicher Sterngucker: Michael Geffert.

Foto: Ulrike Sinzel

Was weiß man heute über den Stern von Bethlehem?
Michael Geffert: Es gibt nur Vermutungen. Zwei Daten grenzen das Ereignis ein: Die Zählung von Kaiser Augustus im Jahr 8 vor Christus und der Tod von Herodes um 4 vor Christus. Nach einer ersten Schätzung ist Jesus im Jahr minus 7 bis minus 5 geboren - das ist aber umstritten. Eine Schwierigkeit ist, dass es keine Aufzeichnungen gibt wie heute. Man ist darauf angewiesen, dass man etwas findet. Und man hat etwas gefunden: Im Jahr 5 vor Christus ist in einer koreanischen Überlieferung von einem Stern oder Kometen die Rede - das koreanische Wort kann beides bedeuten.

Der Überlieferung aus Korea zufolge handelte es sich also entweder um einen Kometen oder um einen Stern.
Geffert: Fangen wir mit dem Stern an: Es könnte eine Supernova gewesen sein. Das ist ein schwerer Stern im Endstadium, der quasi explodiert und sehr, sehr hell wird. Gegen diese Theorie spricht, dass eine Supernova nach etwa 100 Tagen wieder schwächer wird. Die Heiligen Drei Könige hätten für die Reise vom Iran nach Israel allerdings viele Monate gebraucht; man musste dazu erst Kamele ordern und so weiter - bis dahin wäre der Stern weg gewesen.

Dann war es also doch eher ein Komet?
Geffert: Genau dieses Argument spricht auch gegen den Kometen. Das wäre natürlich die schönste Lösung. Aber wenn die Bahn des Kometen nicht extrem ungewöhnlich war, dann hätte er nach einiger Zeit wieder weg sein müssen. Ein Komet wie Hale-Bopp, der fünf Monate lang mit bloßem Auge zu sehen war, ist sehr selten.

Was bleibt dann übrig?
Geffert: Das bringt einen darauf, dass es ein Ereignis gewesen sein müsste, das zwar jedem aufgefallen wäre, aber nur für Astronomen spektakulär gewesen sein muss.

Waren die drei Weisen denn Astronomen?
Geffert: Man vermutet, dass sie Astronomen waren und auch den Lauf der Planeten beobachtet haben. Es kann sie also auch ein Planetenereignis zu der Reise motiviert haben. Und da kann man jetzt zurückrechnen: Es gab damals zwei besondere Ereignisse mit Planeten. Das eine ist eine dreifache Konjunktion von Jupiter und Saturn im Jahr 7 vor Christus. Konjunktion bedeutet, dass es so aussieht, als ob sich die Planeten sehr nahe kommen. Das ist bei einer dreifachen Konjunktion drei Mal hintereinander der Fall. Die Heiligen Drei Könige könnten das berechnet und so interpretiert haben, dass beim dritten Mal ein besonderes Ereignis ansteht.

Und worum handelt es sich bei dem zweiten Ereignis?
Geffert: Herodes könnte auch etwas später gestorben sein als bisher angenommen. Dann käme auch ein spektakuläres Planetenzusammentreffen im Jahr um minus 2 in Betracht. Schon im Jahr zuvor dürften die drei Weisen berechnet haben, dass es zu einer zweifachen Konjunktion von Venus und Jupiter kommt. Das sind die beiden hellsten Planeten. Sie hätten berechnen können, dass sich die Planeten beim letzten Mal so nahe kommen, dass sie wie ein Objekt erscheinen. Das ist schon einzigartig. Und das war auch noch nahe an Regulus, einem sehr hellen Stern im Löwen; das muss ein wahres Sternentheater gewesen sein! Es erschien also als ein Objekt, sie konnten es vorherberechnen und hatten fast zehn Monate Zeit für die Reise. Das ist meine Lieblingstheorie.

Gibt es weitere Möglichkeiten?
Geffert: Die Ereignisse sind erst 90 Jahre später aufgeschrieben worden. Der Stern von Bethlehem könnte natürlich auch einfach ein Stilmittel gewesen sein, weil aus Überlieferungen bekannt war, dass es einen hellen "Stern" gegeben hatte.

Wie ist es denn überhaupt möglich, dass ein Stern, oder auch zwei Planeten, den Weg zu etwas weisen?
Geffert: Ein Wiener Astronom hat einmal ausführlich beschrieben, wie zwei Planeten eine Art Pfeil darstellen können, der auf etwas hindeutet. Bei einem einzelnen Stern ist das natürlich so nicht möglich. Ein Komet mit seinem Schweif kann dagegen sehr deutlich in eine Richtung zeigen.

Wie hell kann man sich den Stern von Bethlehem vorstellen? Gibt es vergleichbare Ereignisse in der heutigen Zeit?
Geffert: Bei Venus und Jupiter ist die Helligkeit ja bekannt. Ansonsten hängt es vom Objekt ab: Eine Supernova kann heller werden als alle anderen Sterne am Himmel. Die hellste Erscheinung wäre ein Komet. Der könnte so hell werden wie der Vollmond. Für den kommenden März wird ein Komet ("Panstarrs C/2011 L4") erwartet, der sehr hell werden könnte. Je nachdem, wie er sich entwickelt, kann man ihn dann mit dem Stern von Bethlehem vergleichen.

Zur Person
Michael Geffert (59) wurde in Bonn geboren. Von 1971 bis 1978 besuchte er die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität, 1986 promovierte der Diplom-Physiker mit dem Schwerpunkt Astronomie. Geffert arbeitet am Argelander-Institut für Astronomie der Uni Bonn und ist für die Öffentlichkeitsarbeit zuständig. Er wohnt in Roisdorf, ist verheiratet und hat drei Kinder. Geffert hat unter anderem den Asteroiden "Vorgebirge" entdeckt.

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