Kreaforum in Morenhoven Als die Westernhelden laufen lernten

SWISTTAL-MORENHOVEN · Entschlossen blickt er drein, skrupellos und zweifellos durchtrieben. Der Mann mit dem schwarzen Cowboyhut und dem karierten Halstuch fixiert sein Gegenüber, als wolle er ihn augenblicklich hypnotisieren. Dann zieht er den Colt, zielt und drückt ab - einmal, zweimal, und eine Menge Pulverdampf benebelt die Leinwand.

 Klassiker des Genres präsentieren die Westernfans Bernhard Schmitz (links) und Klaus Grewe beim Ferienfilmfestival an vier Kinoabenden inklusive anekdotenreichem Prolog im Morenhovener Kreaforum.

Klassiker des Genres präsentieren die Westernfans Bernhard Schmitz (links) und Klaus Grewe beim Ferienfilmfestival an vier Kinoabenden inklusive anekdotenreichem Prolog im Morenhovener Kreaforum.

Foto: Mario Quadt

Es ist die Schlussszene aus dem Film "The Great Train Robbery". Der US-Streifen aus dem Jahr 1903, in dem Schauspieler Justus D. Barnes seine Waffe direkt auf die Kamera richtet und abfeuert, ist der erste Western der Filmhistorie. Den Klassikern aus den großen Weiten des Wilden Westens widmen die Macher des Morenhovener Kreaforums ihr Ferienfilmfestival. Premiere ist heute, 20 Uhr, mit den beiden Stummfilmen "The Great Train Robbery" und "The Last Of The Mohicans" (1920).

Von der Länge eines Genreklassikers wie Sergio Leones "Spiel mir das Lied vom Tod" mit opulenten 165 Minuten ist die "Mutter aller Western" weit entfernt. In zwölf Minuten Film packt Regisseur Edwin S. Porter die Geschichte eines Überfalls auf einen Eisenbahnzug samt anschließender Verfolgung der Räuber durch den Sheriff. Viele später gedrehte Wildwestfilme greifen immer wieder auf Kameraeinstellungen zurück, welche durch "Der große Eisenbahnraub" westerntypisch wurden. Viele Westernklischees, wie das durch Pistolenschüsse auf den Boden zum Tanzen animierte Greenhorn, finden in diesen zwölf Minuten ihren cineastischen Ursprung.

Um den Zuschauern im Kreaforum diese und andere Anekdoten aus der Zeit, als die Westernhelden auf der Leinwand laufen lernten, zu servieren, lässt sie Bernhard Schmitz vom Bilderbuchmuseum Troisdorf an seinem reichen Schatz an Filmwissen teilhaben. Schmitz' Spezialität sind eigentlich historische Kinder- und Jugendbücher, bekundet er im Gespräch mit dem GA. Weil es auf diesem Gebiet aber viele Überschneidungen ins Westerngenre gibt, hat er sich somit auch zum profunden Kenner der Filme entwickelt, in denen Cowboys, Indianer und Banditen die Hauptrollen spielen. "Er soll das lehrreich rüberbringen", sagt Klaus Grewe und lacht. Der Geodät und Archäologe ist passionierter Anhänger des Genres.

Nach dem großen Erfolg einer Reihe über die Filme von Stan Laurel und Oliver Hardy im Kreaforum kam die Idee auf, auch dem Western ein Ferienfilmfestival zu widmen, berichtet Grewe. Für ihn wie für Schmitz verkörpern die Streifen eine Zeitreise in die Welt von Jugendträumen, von Ferne und von Heldentum.

Der fleischgewordene Westernheld John Wayne ist strahlender Mittelpunkt des zweiten Festivalabends am Mittwoch, 15. Juli. Aus dem Jahr 1959 stammt "Rio Bravo", ein Kultfilm aus "der Hochzeit des Westerns", wie Schmitz berichtet.

Inszeniert hat ihn Altmeister Howard Hawks, neben dem vierfachen Oscargewinner John Ford einer der bedeutendsten Regisseure des Genres, der ferner in Kinoklassikern wie "Scarface", "Leoparden küsst man nicht" oder "Tote schlafen fest" die Regie führte.

Schier ins Schwärmen geraten Grewe und Schmitz, wenn sie auf den dritten Festivalabend zu sprechen kommen: Am Mittwoch, 22. Juli, ist der vor wenigen Tagen verstorbene Pierre Brice auf der Leinwand im Sattel seines schwarzen Pferdes zu sehen und reitet in der Karl-May-Verfilmung "Winnetou I" (1963) durch die kargen Hügellandschaften an den Krker Wasserfällen im damaligen Jugoslawien. Die Western aus westdeutscher Produktion atmeten bereits deutlich eine Ästhetik, die das Medium Fernsehen im Blick hat. "In den 60er-Jahren gab es bereits das erste Kinosterben", weiß Schmitz.

Unerlässlich für den Erfolg des Streifens - und der Fülle an Nachfolgefilmen - sei die grandiose Filmmusik gewesen, meint Grewe. "Da läuft es einem den Rücken herunter", sagt er. Das Titelstück zum Karl-May-Film "Der Schatz im Silbersee", die sogenannte "Old-Shatterhand-Melodie" des Orchesters Martin Böttcher, hätte auch "die Erschaffung der Welt" adäquat musikalisch untermalen können, findet Grewe. Im Mutterland des Western, den USA, seien Karl May und sein literarisches Schaffen allerdings nicht so hoch angesehen wie hierzulande, weiß Cineast Schmitz. "Dort findet May einfach nicht statt. Die Indianer kommen den Amerikanern bei May zu gut weg."

Zum Abschluss der Reihe am Mittwoch, 29. Juli, steht ein Besuch auf der Ponderosa-Ranch aus "Bonanza" (1959-1973) sowie den staubigen Straßen von Dodge City, Kulisse von "Rauchende Colts" (1955-1975) an.

Ein gewisser Leo Kirch sei es gewesen, der die heutigen Kultserien dem ZDF andiente, berichtet Schmitz. Sein Ansprechpartner in der Mainzer Staatskanzlei war von 1969 bis 1976 der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Helmut Kohl. Mit Western haben solche Anekdoten nur am Rande zu tun - lehrreich und unterhaltsam sind sie allemal.

Beginn der Vorführungen des Ferienfilmfestivals im Morenhovener Kreaforum, Vivatsgasse/Ecke Eichenstraße, ist jeweils mittwochs um 20 Uhr. Der Eintritt kostet pro Kinoabend drei Euro.

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