"Klang-Tunnel" war ein besonderes Erlebnis Flötenspiel mit klammen Fingern

ERPEL · "Ein Flügel könnte hier nicht eingesetzt werden", sagte Pianistin Marlis Wemheuer aus Königswinter. So spielte sie eben am E-Piano beim Musikfest im Erpeler Tunnel.

 Auftritt im Tunnel: Ulrike Sinapius (mit Flöte), Marlies Wemheuer, Annette Gärtner und Birgitta Winnen.

Auftritt im Tunnel: Ulrike Sinapius (mit Flöte), Marlies Wemheuer, Annette Gärtner und Birgitta Winnen.

Foto: Frank Homann

Überhaupt, die lediglich 13 Grad im Eisenbahntunnel stellten an die Mitwirkenden des dreitägigen Festivals "KlangTunnel" besondere Anforderungen. "Meine Flöte ist aus Silber. Ich muss öfter nachstimmen. Das ist wie bei einem Auftritt in einer kalten Kirche", so Wemheuers Schwester Ulrike Sinapius.

"Ich habe gefroren bei den Proben. Die hohe Luftfeuchtigkeit sammelt sich im Instrument", beschrieb Annette Gärtner. Aber dass sie eigens aus München angereist war, bedauerte sie kein bisschen.

In diesem Tunnel auftreten zu dürfen, der geschichtlich am Ende des Zweiten Weltkriegs eine solche Bedeutung erlangte, machte klamme Finger und Notenblätter zweitrangig. "Es hat unheimlich Freude bereitet", betonte Violinistin Birgitta Winnen. "Es wird einem warm ums Herz. Wir haben die Zuhörer erreicht. Die Atmosphäre hier ist besonders."

Der Kunst- und Kulturkreis "ad Erpelle" hatte seinen Veranstaltungsort gern für ein künstlerisches Experiment unter der Regie von Tobias Patrick Wolf zur Verfügung gestellt. Der Erpeler ist Student der Musikwissenschaft an der Universität Bonn.

Er hatte junge Akteure um sich geschart, mit denen er dieses spannende Projekt, das unter Schirmherrschaft der Landtagsabgeordneten Ellen Demuth stand, und mit "ad Erpelle" als Partner umgesetzt wurde, ein Jahr lang vorbereitet. Es stand unter dem Leitmotiv "Turbulenzen". Vorsitzender Edgar Neustein: "Das Leitmotiv passt zu der Örtlichkeit, deren Geschichte eben von solchen Turbulenzen geprägt ist.

Erbaut im Ersten Weltkrieg, um die Westfront zu unterstützen, standen die Brücke und der Tunnel am Ende des Zweiten Weltkriegs im Fokus der Weltöffentlichkeit, als hier den alliierten Truppen der entscheidende Schritt über den Rhein gelang."

Im Mittelpunkt standen ein Abend mit der Sprechbühne Halle, die das Stück "In Verjandlungen mit Ernst" von Ernst Jandl aufführte, und eben der musikalische Abend mit dem Damen-Quartett und Rezitator Volkmar Kramarz.

Das Programm dieses Musik-Abends hatte Ulrike Sinapius erarbeitet. "Meine Vorgabe war, die Spielstätte und Historizität einzubeziehen. Aber wir wollten keine Gedenkstunde, sondern die Turbulenzen des Lebens - Leben, Tod, Liebe, Humor - darstellen", erklärte sie.

Die ausgewählte Musik von Mozart, Tartini, Hindemith und Hand führte zu den Texten hin; mit Telemann fand das Programm einen virtuosen, versöhnlichen Abschluss.

Die Bandbreite der Rezitationen startete bei "?S ist Krieg" von Matthias Claudius und endete bei "Der Humor ist der Regenschirm der Weisen!" von Erich Kästner. Musikwissenschaftler Kramarz, früher Radio-Mann, jetzt Dozent an der Universität Bonn, meisterte seinen Part als Sprecher mit Bravour.

Es war eine kongeniale Leistung aller Akteure. Volkmar Kramarz: "In solch einer Lokalität aufzutreten, ist nicht einfach. Es ist ein sehr berührender, schicksalhafter Platz."

Das Publikum im jeweils voll besetzten Theater belohnte die Künstler an beiden Abenden mit riesigem Applaus. Auch das Rahmenprogramm von Jazz bis Rock stieß auf großen Zuspruch.

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