Der "Geschichtsbote" befasst sich mit dem historischen Zwist zwischen Bürgermeister und Pfarrer Als der Kulturkampf in Unkel tobte

UNKEL · Im Spätherbst 2013 tobte nach mehr als 140 Jahren Ruhe erneut der Kulturkampf in Unkel. Unter dem Titel "Schockschwerenot, Herr Bürgermeister" brachte der Geschichtsverein der Stadt um die Autorinnen Elsbeth Bovy und Gisela Meitzner diesen Machtkampf zwischen der katholischen Kirche und dem preußischen Staat mit Otto von Bismarck an der Spitze auf die Bühne. Nun widmet der Verein dem Konflikt zwischen staatlichen und kirchlichen Amtsträgern die jüngste Ausgabe seines "Geschichtsbotens".

 'Die jüngste Ausgabe des Unkeler "Geschichtsboten", herausgegeben vom Geschichtsverein, stellten (v. l.) Gisela und Wilfried Meitzner, Piet Bovy und Wolfgang Ruland vor.

'Die jüngste Ausgabe des Unkeler "Geschichtsboten", herausgegeben vom Geschichtsverein, stellten (v. l.) Gisela und Wilfried Meitzner, Piet Bovy und Wolfgang Ruland vor.

Foto: Frank Homann

In Unkel war vor 140 Jahren der Höhepunkt des preußisch-katholischen Kulturkampfes die groteske Auseinandersetzung zwischen Bürgermeister Oscar Theodor von Altrock und Pfarrer Johannes Heinrich Stolten um die Zuständigkeit und Verantwortung für den Kirchhof. "Der Kirchhof gehört zur Kirche!", so das Credo des streitbaren Pastors und prompt zahlte er die Kosten für die Erweiterung in Höhe von 270 Mark aus eigener Tasche.

"Als das Theaterprojekt konkrete Formen annahm, stand für mich fest, dem interessierten Publikum eine verständliche Einführung in das Thema Kulturkampf zu geben", erklärte Stadtarchivar Wilfried Meitzner, nachdem der Vorsitzende Piet Bovy zahlreiche Zuhörer im Ratssaal zur Vorstellung der 24. Ausgabe des "Geschichtsboten" seines Vereins begrüßt hatte.

Zwei im Grunde unvereinbare Machtansprüche hätten sich in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gegenüber gestanden. "Die katholische Kirche unter Papst Pius IX. versuchte ihre in Jahrhunderten gefestigte Autonomie gegenüber einem zunehmenden Liberalismus zu bewahren. Der deutsche Reichskanzler Bismarck, der das 1870 entstandene Kaiserreich durch eine gefügige Staatskirche absichern wollte, sah darin eine Provokation und einen negativen Eingriff in den deutschen Nationalstaat", so Meitzner in seinem Vortrag.

In den Jahren 1871 bis 1875 setzte Bismarck deshalb kirchenpolitische Gesetze durch, "die den Lebensnerv aller kirchlichen Organisationen empfindlich trafen ", so der Stadtarchivar. Allerdings habe der vehemente und andauernde Widerstand eines Großteils der katholischen Bevölkerung und der kirchlichen Institutionen ab 1880 zu einer schrittweisen Rücknahme der meisten Kulturkampf-Gesetze geführt.

"Das muss für Bismarck und die anderen Verantwortlichen in Berlin ernüchternd gewesen sein. Bemerkenswert ist, wie geräuschlos und fast ohne Gesichtsverlust das leidige Thema von dem Reichskanzler beendet wurde, der nun die Sozialisten zum Reichsfeind erklärte", schloss Meitzner seinen Vortrag.

Neben seinen Ausführungen zum Kulturkampf sowie seinen Kurzbiografien von James Arthur von Bothwell, Offizier der kaiserlichen Kriegsmarine, der seinen Ruhestand in Unkel verbrachte, und Pfarrer Stolten erzählten Piet und Elsbeth Bovy die Entstehungsgeschichte des Theaterstückes, das ebenfalls in dem Geschichsboten abgedruckt ist, in dem Gisela Meitzner die Darsteller um Regisseurin Doris Fortuin vorstellt.

Ergänzt werden diese Berichte noch durch die Kurzbiografien von Bürgermeister Altrock und des Neuwieder Landrates Justus von Runkel, die aus den Federn von Piet Bovy und Norbert Knoppik stammen.

Erworben werden kann der 24. Geschichtsbote "Der Kulturkampf in Unkel" für acht Euro bei Florian-Schädlich, Frankfurter Straße 24, wo auch die Ausgaben ab Nummer 15

gekauft werden können.

Der Kulturkampf

1871 ließ Reichskanzler Bismarck die katholische Abteilung im preußischen Kultusministerium auflösen. Außerdem erließ er den "Kanzelparagraphen", der Geistlichen empfindliche Haftstrafen androhte, wenn sie ihr Kirchenamt für politische Äußerungen missbrauchen.

1872 erfolgte die Übernahme der alleinigen Schulaufsicht durch den Staat und das Verbot des Jesuitenordens

1873 wurde mit den "Maigesetzen" die staatliche Abschlussprüfung für Geistliche eingeführt. Außerdem behielt sich der preußische Staat ein Einspruchsrecht bei der Vergabe geistlicher Ämter vor. Ab 1874 war zunächst in Preußen, ab 1875 im ganzen Deutschen Reich die Zivilehe rechtlich bindend und nicht mehr die kirchliche Trauung. 1875 wurden alle geistlichen Orden und Gemeinschaften durch das "Kongregationsgesetz" verboten. Mit dem "Brotkorbgesetz" wurden zudem alle staatlichen Zuwendungen an die katholische Kirche eingestellt.

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