Interview mit Adi Buchwald Der Linzer Bürgermeister über 25 Amtsjahre und den Krebs

LINZ · 2014 soll Schluss sein. Adi Buchwald (CDU) wird sich nach 25 Jahren als Bürgermeister der Stadt Linz nicht mehr zur Wahl stellen. Dies hat einen Grund, aus dem der 67-Jährige nie ein Geheimnis gemacht hat: Buchwald ist vor elf Jahren an Krebs erkrankt. Doch die Krankheit ist schlimmer geworden. Im Gespräch erzählt Adi Buchwald offen von seinem Leidensweg und zieht Bilanz seiner Amtszeit.

 Hat stets für alle Bürger ein offenes Ohr: Adi Buchwald, seit 25 Jahren Stadtbürgermeister in Linz, ist beliebt bei den Linzern. Auch, weil er stets ein zuverlässiger Stadtchef gewesen ist.

Hat stets für alle Bürger ein offenes Ohr: Adi Buchwald, seit 25 Jahren Stadtbürgermeister in Linz, ist beliebt bei den Linzern. Auch, weil er stets ein zuverlässiger Stadtchef gewesen ist.

Foto: Frank Homann

Herr Buchwald, die wichtigste Frage vorab: Wie geht es Ihnen?
Adi Buchwald: Besser. Mich hat in den vergangenen Wochen eine Erkältung überrannt. Die hat mich massiv zurückgeworfen, weil mein Immunsystem von der Chemotherapie im Mai noch sehr geschwächt ist. Aber so langsam geht es wieder aufwärts.

Vor elf Jahren bekamen Sie die Diagnose Krebs. Wie sehr diktiert die Krankheit seitdem Ihr Leben?
Buchwald: Bis 2009 ging es mir nur phasenweise sehr schlecht, aber nicht grundsätzlich. Doch dann wurde ein Lymphknoten entdeckt, es kam die erste Bestrahlung, die zweite, und immer mehr. 2012 folgte die erste große Operation, in diesem Jahr die zweite. Wissen Sie: Die Krankheit ist das eine, die Psyche das andere. Die zu beherrschen, ist nicht immer einfach. 2013 war das härteste Jahr meines Lebens. Ich zeig' Ihnen mal was.

Adi Buchwald steht auf, holt sein Handy, tippt einige Male darauf herum. Er reicht es rüber. Auf dem Bild, das er zeigt, ist er zu sehen, kurz nach der OP im Februar dieses Jahres. Die Naht langt vom Nacken bis zur linken Hüfte. Er blättert weiter. "Das ist nach der ersten OP im Januar 2012", seufzt er. Die Naht streckt sich vom Hals bis zum Bauchnabel, wie der Reißverschluss einer Jacke.

Um Himmels Willen. Wie haben Sie das weggesteckt?
Buchwald: Ich habe für mich ein Schema entwickelt, eine Metapher: Ich laufe auf einem Kraterrand, links ist es grün, da ist das Leben. Und rechts, da lodert das Feuer, da ist Schluss. Auf diesem Rand wandere ich. Ohne meine Frau wäre ich heute woanders, sie hat mir geholfen. Weil sie mich getragen und ertragen hat.

Wie konnten Sie in all der Zeit Politik machen?
Buchwald: Wenn ich ins Rathaus komme, kann ich das ausblenden. Dann gebe ich Vollgas. Man sagt mir nach, ich könne mich durchsetzen.

Sich in der Politik durchzusetzen, ist das eine. Der Krebs ist ein größerer, manchmal übermächtiger Kontrahent.
Buchwald: Das ist so. Ich habe gelernt, Realitäten zu akzeptieren. Ich sehe es heute als chronische Krankheit an. Es ist da, das weiß ich. Das war keine einfache Erkenntnis, keine, die sich schnell einstellte. Eigentlich erst vor einem Jahr. Man kriegt immer wieder Signale vom Körper gesendet. Mal sind es Schwindelanfälle, mal springst du aus dem Auto, willst loslaufen und bekommst Atemnot. Wenn man diese Signale nicht wahrnimmt, bekommt man Probleme. Es ist eben nicht mehr so wie mit 40 oder 50.

Sie haben im Juli bekanntgegeben, nach 25 Jahren Amtszeit nicht mehr für das Bürgermeisteramt zu kandidieren. Mussten Sie vor der Krankheit kapitulieren?
Buchwald: Nein, ich kapituliere nicht. Ich setze nur mehr Prioritäten auf mein Privatleben. Aber ich bin kein Typ, der sich hängen lässt, sondern der voll reingeht. Ich habe noch immer Biss. Wenn mir einer im Stadtrat auf den Geist geht, dann gibt es verbal ein paar auf die Nuss. Aber danach geht es los, dann ist sie wieder da, die Krankheit. Dann fehlt mir die Kraft. Das, was ich tue, ist ja nicht das Amt eines Frühstücksdirektors.

Wenn man sich in Linz umhört, heißt es oft: "Der Adi Buchwald, der hört jedem zu." War dies Ihr Leitsatz?
Buchwald: Mir ist es gelungen, zu vielen Menschen einen Zugang zu finden und eine Vertrauensbasis aufzubauen. Darauf bin ich in der Tat stolz. Ich wollte zudem immer zuverlässig sein, habe mich immer an Absprachen gehalten. Wenn dann doch mal etwas schief gegangen ist, habe ich mich entschuldigt. Ich bin von Sternzeichen Stier, mit mir können mal die Pferde durchgehen. Ich kann sehr verletzend sein. Dann habe ich mich stets entschuldigt. Aus. Ende. Vergessen. Die Karawane zieht weiter. Nachtragend bin ich nie gewesen.

Welche politischen Fehler bedauern Sie noch heute?
Buchwald: Ich habe immer darauf beharrt, die Hebesätze und damit die Steuerabgaben für die Bürger niedrig zu halten. Weil wir aber unter den Sätzen des Landes lagen, sind uns Fördermittel vorenthalten geblieben. Da wäre ich heute flexibler. Auch würde ich heute nicht noch einmal das Alte Gymnasium an der Stadthalle in ein sogenanntes Bürgerkommunikationszentrum umwandeln. Das hat nie richtig funktioniert. Im Nachhinein war das Investment nicht umsonst, da durch den Erhalt der baulichen Substanz später im Untergeschoss der Kindergarten Platz gefunden hat. Was ich auch nicht mehr machen würde, wäre die Umwandlung des klassischen Fremdenverkehrsamtes in eine städtische GmbH.

Wie war Linz, als Sie Bürgermeister wurden?
Buchwald: Es war eine Stadt, die geprägt war von einer politischen Auseinandersetzung. Was hinzu kam, und viel Kraft verlangt hat, war der Bau der Tiefgarage. Da habe ich viele Dinge vorgefunden, bei denen ich nur die Hände über dem Kopf zusammengeschlagen habe - bis hin zu baulichem Miss-Management.

Die Spuren, die Sie in Linz hinterlassen, sind überall sichtbar. Mögen Sie mal auflisten, welche Projekte Sie verantwortet haben?
Buchwald: Da hätten wir den Marktplatzausbau, die Fußgängerzone, die Sanierung der Stadthalle. Da wäre noch der Ausbau am Gestade, der das erste Bürgerbegehren hervorrief, das Meusch-Zentrum sowie die Sanierung des Schwimmbads, das wir uns anders als andere Kommunen noch leisten können. Aber es sind auch noch Baustellen übriggeblieben, wie zum Beispiel die Gestaltung des Rheinufers.

Gehört auch der Leerstand dazu?
Buchwald: Natürlich. Linz ist im Bezug auf den Leerstand und die Ansiedlung von Fach- und Einzelhandel genauso gebeutelt wie andere Kommunen. Wir dürfen uns nicht vor dem Trend der Zeit verschließen: Es wird heute von den jungen Leuten fast alles im Internet gekauft. Das ist die größte Herausforderung für meinen Nachfolger. Wir müssen wieder Anziehungspunkt für junge Leute werden, nicht nur für 60plus. Ein Patentrezept habe ich aber dafür nicht.

Vermutlich wird Jörg Faust Ihr Nachfolger.
Buchwald: Ja, mit ihm ist ein Mann da, der sich einsetzt und neue Akzente setzt. Es wäre für mich perspektivlos gewesen, wenn ich hier alleine gesessen und nicht gewusst hätte, wohin die Reise gehen würde. Deshalb war es einer der schönsten Momente in diesem Jahr, als ich nach acht Wochen Urlaub und Reha der Öffentlichkeit mitteilen konnte, dass eine personelle Perspektive besteht.

Wie wird Ihr Leben nach der Wahl aussehen?
Buchwald: Ich werde morgens nicht mehr hier sein müssen. Ich fange jetzt aber nicht mit Gartenarbeit oder Bücherlesen an. Ich will nur mehr Freiräume, mehr Freiheit im Kopf.

Ist denn da gar keine Wehmut?
Buchwald: Ich gehe jetzt gewiss nicht in eine Schmollecke oder hadere damit, dass ich nicht mehr dauernd in der Zeitung stehe. Der Freundeskreis wird bleiben und falls mich einer braucht, stehe ich gerne mit Rat und Tat zur Seite.

Eigentlich darf sich der Interviewte kurz vor der Jahreswende etwas wünschen. Heute drehe ich den Spieß um: Ich wünsche Ihnen, dass Sie gesund werden.
Buchwald: Vielen Dank. Das ist das höchste Gut. Alles andere ist zweitrangig.

Zur Person

Adi Buchwald ist am 8. Mai 1946 in Bornheim-Roisdorf geboren. Der Diplom-Ingenieur, der an der Universität Essen studierte, war schon im Rhein-Sieg-Kreis politisch aktiv. 1982 kam Buchwald mit seiner Frau schließlich nach Linz, wo er drei Jahre später der CDU beigetreten ist. 1989 wurde er zum Stadtbürgermeister gewählt. Er trat damals die Nachfolge von Theo Lück an. 2014 wird er nach 25 Jahren Amtszeit nicht mehr kandidieren.

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