Hangrutsch in Linz Aufatmen am Kaiserberg

LINZ · Das zweite Einfamilienhaus ist gesichert und wieder bewohnbar. Experten messen zunächst weiter und bereiten die Sanierung vor.

Im Haus Am Gericht 15 brannte am Montag schon am frühen Morgen Licht. Nach einer Woche bangen Wartens hatte Familie Kramer wieder in ihr Zuhause am Kaiserberg in Linz ziehen können: Der vom Regen aufgeweichte Hang, der tagelang in Bewegung war, bildet aus Sicht der Experten zurzeit keine Bedrohung für das Gebäude. Wie berichtet, hatten die Erdmassen, die am Montag vergangener Woche ins Rutschen geraten waren, das Nachbarhaus Am Gericht 13 beschädigt. Es musste abgerissen werden. Am Wochenende waren Mitarbeiter einer Spezialfirma Tag und Nacht im Einsatz, um den Prozess zu stoppen - mit Erfolg.

"Mit dem Stillstand das Hangs haben wir ein wichtiges Etappenziel erreicht. Die Situation ist jetzt beherrschbar, das Haus Nummer 15 ist nicht mehr gefährdet", resümierte Ulrich Kleemann, der Präsident der Struktur- und Genehmigungsdirektion Nord (SGD), gestern Morgen bei einem Ortstermin mit dem Staatssekretär des Ministeriums für Wirtschaft, Klimaschutz, Energie und Landesplanung, Uwe Hüser, sowie dem Bundestagsabgeordneten Erwin Rüddel und der Landtagsabgeordneten Ellen Demuth. Nach 48 Stunden "intensivster Bautätigkeit", so Kleemann, seien die Arbeiten am Sonntagmittag eingestellt worden. Das Mitgefühl aller gelte natürlich den Eigentümern des abgerissenen Hauses, Familie Trier, die ihr gesamtes Hab und Gut und nahezu alle persönlichen Erinnerungsstücke verloren habe, sagte Kleemann. Nach dem Abriss des Hauses Nummer 13, das einzustürzen drohte, sei es darum gegangen, noch Schlimmeres zu vermeiden. Denn die Rutschbewegung des Hangs hatte sich erneut beschleunigt. Wie berichtet, kamen die laut Experten 30 000 Tonnen schweren Erdmassen zeitweise stündlich um zehn bis 15 Zentimeter näher auf das Haus Nummer 15 zu - das nun gerettet werden konnte.

"Die Rettungsaktion war brillant organisiert. Alle Verantwortlichen haben hervorragende Arbeit geleistet", stellte Uwe Hüser fest. Er dankte den Mitarbeitern des Landessamtes für Geologie und Bergbau, der Stadt Linz und der Verbandsgemeindeverwaltung, dem Forstamt, dem THW und der Feuerwehr, der Polizei, den eingesetzten Firmen sowie den Mitarbeitern der SGD um Ingenieur Wolfgang Beck als Koordinator. Beck lobte das Rheinbreitbacher Abriss- und Erdarbeitsunternehmen ("Mit dem haben wir einen hervorragenden Griff getan"), das zudem die Zuliefer-Firmen dazu gebracht habe, nachts zu arbeiten. Am Wochenende wurden bekanntlich an mehreren Stellen Basaltschotterberge als Widerlager aufgeschüttet. Zu den Kosten der Aktion könne man noch nicht sagen, erklärte der Staatssekretär. Im Wege der Ersatzvornahme seien von Mainz 140 000 Euro bereitgestellt worden, 20 000 Euro habe allein der Hausabriss gekostet. "Nun muss geprüft werden, wie der Stadt und den betroffenen Anwohnern, allen voran der Familie Trier, bei der Schadensbewältigung geholfen werden kann", so Hüser. Er werde dem Ministerrat berichten; welche Lösungen infrage kommen und wer überhaupt zuständig sei, müsse in Ruhe geprüft werden.

Stadtbürgermeister Hans Georg Faust sprach von "hervorragender fachlicher Arbeit, bis hin zur Versorgung der beiden ungefährdeten Häuser mit einer Sonder-Gasleitung" und nannte die Hilfsbereitschaft der Menschen "vorbildlich". In fast jeder Linzer Gaststätte werde inzwischen für die Opfer des Unglücks gesammelt, berichtete er. Voll des Lobes war auch Verbandsgemeinde-Bürgermeister Hans-Günter Fischer, auch für die Spendenaktion der Initiative "Hangrutsch Kaiserberg".

Endgültige Entwarnung geben die Fachleute jedoch noch nicht. Die messtechnische Überwachung des Hangs bleibt laut Beck aktiv und die Alarmierungskette läuft vorerst unverändert weiter. In dieser Woche sollen in Abstimmung mit dem Landesamt für Geologie und Bergbau die Sanierungsarbeiten konzipiert und danach in Angriff genommen werden, so die SGD Nord.

So solle der Hang dauerhaft gesichert und die Schäden an den am Berg gelegenen Grundstücken behoben werden.

Sedimentschicht am Kaiserberg ist bis zu 17 Meter dick

Viele Experten waren und sind mit den Untersuchungen am Kaiserberg beschäftigt. An allen Tagen vor Ort waren auch Mitarbeiter des Landesamtes für Geologie und Bergbau des Landes Rheinland-Pfalz. Die erste Aufgabe der Experten, sagte Geologe Ansgar Wehinger, war die Gefahrenabwehr. Zentrale Frage sei gewesen, was zu tun war, damit sich die Situation nicht ausweite. Auch die enge Örtlichkeit habe die Dinge erschwert.

Bodengegebenheiten, wie sie im Grundsatz auch am Kaiserberg vorlägen, seien im Rheintal keine Seltenheit. Beim Hangrutsch am Kaiserberg habe es sich um eine sogenannte "Lockergesteinsrutschung" einer Löss-Schicht gehandelt. Die Geologen unterschieden zwischen Locker- und Felsgestein. Die Lössablagerungen - Löss sei "ein relativ junges", tonhaltiges Sediment - gehe zurück auf die letzte erdgeschichtliche Kaltzeit, die bis vor rund 10 000 Jahren andauerte. Zu dieser Zeit habe es auch dort, wo keine Vergletscherung stattgefunden habe, so gut wie keine Vegetation gegeben. Die Folge: Lockergestein aus dem Rheintal sei an die Hänge verweht worden und habe sich dort abgesetzt. Das Lockergestein sei sozusagen "vom Wind dort abgelegt" worden, so Wehinger.

Im Falle des abgerutschten Hanges in Linz, so hätten die Untersuchungen gezeigt, reiche Löss bis zu 17 Meter tief, berichtete Wehingers Kollege Mirco Alberti. Das sei "in dieser Mächtigkeit schon selten". Die Zeichnung (siehe Grafik) entspreche im Grundsatz vom Ablauf her dem Fall Linz. Hangaufwärts sei der Hangabriss zu sehen, im Mittelteil gebe es weitere Querrisse beziehungsweise Zerrspalten, und am Rutschungsfuß komme es zur Aufwölbung einer sogenannten Rutschungszunge. Letztere sei direkt neben der Haustür des inzwischen abgerissenen Hauses in Linz zu sehen gewesen.

Grundsätzlich sei Löss kein problematischer Baugrund, so Wehinger weiter. "Aber auch er kann, etwa wegen wechselnder Witterungsbedingungen, seine Eigenschaften ändern", Schicht für Schicht. Alberti: "Jeder Boden reagiert ganz individuell", je nach Beschaffenheit wie mit Tonanteilen.

Das Landesamt für Geologie und Bergbau mit Sitz in Mainz ist ein so genannter Träger öffentlicher Belange und wird standardgemäß gehört, wenn etwa Gemeinden Flächennutzungspläne aufstellen. Eine Beurteilung einzelner Bauplätze sei in diesen Stellungnahmen nicht inbegriffen, so Wehinger. Die Experten raten Bauherren zu Baugrundgutachten für den einzelnen Bauplatz, um Risiken abschätzen zu können. "Eine solche Absicherung ist grundsätzlich sicherlich nicht verkehrt", so Alberti.

Zusätzliche Versicherung keine Pflicht

Die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz rät Eigenheimbesitzern grundsätzlich dazu, eine sogenannte Elementarversicherung zusätzlich zur Hauptgebäudeversicherung abzuschließen. Wie berichtet, hatten die Eigentümer des mittlerweile abgerissenen Hauses am Kaiserberg eine solche nicht abgeschlossen.

  • Die Elementarversicherung deckt nach Auskunft von Michael Wortberg, Versicherungsexperte der Verbrauerzentrale, beispielsweise Schäden durch Überschwemmung oder den in Linz eingetroffenen Fall eines rutschenden Hangs ab. Auch der im Haus befindliche Hausrat sei abgesichert. Laut Wortmann haben gerade Starkregenereignisse in den vergangenen Jahren zugenommen. Eine Gebäudeversicherung greife dagegen nur bei Sturmböen ab Stärke 8, Hagel, Blitz, Leitungswasserschäden und Feuer.
  • Die Kosten dieser Spezialversicherung, die in der Regel in Verbindung mit der Hauptversicherung beim gleichen Anbieter abgeschlossen werden kann, hängen von mehreren Faktoren ab: Der Standort spielt ebenso eine Rolle wie der Wert der Immobilie. "Die Versicherer begutachten Niederschlagskarten, in denen Bäche und Hänge eingezeichnet werden, und stufen die Region entsprechend ein", sagte Wortberg. Es gebe vier Schadensstufen (Zürs-Zonen) von wenig gefährdet (Stufe 1) bis stark gefährdet (Stufe 4). Die Preisunterschiede liegen von Anbieter zu Anbieter bei dem selben Objekt jedoch um bis zu 200 Prozent auseinander.
  • Es gibt keine gesetzliche Pflicht, eine Elementarversicherung anzubieten. Manche Versicherer nähmen risikoreiche Gefahren auch gezielt aus dem Vertrag, "ein Fass ohne Inhalt", so Wortberg. Aber: Auch die Möglichkeit, ein staatliches Darlehen nach Katastrophen wie dem Oder-Hochwasser zu bekommen, ist laut Verbraucherzentrale an den Abschluss einer Elementarversicherung gekoppelt.

Die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz bietet für 20 Euro eine Risikoanalyse und einen Preis-Leistungs-Vergleich für Gebäudeversicherungen an. 60 Euro kostet eine 90-minütige persönliche Beratung. In der Verbraucherzentrale NRW kostet ein 30-minütiges Beratungsgespräch in Sachen Versicherung 40 Euro.

Schon mehr als 300 Spenden

Vier Tage, nachdem ein Einfamilienhaus in Linz am Kaiserberg hatte abgerissen werden müssen, nimmt die Spenden-Aktion der "Initiative Hangrutsch Kaiserberg" für die betroffene Familie Trier weiter Fahrt auf. Wie berichtet, hat der Linzer Ortsverein im Deutschen Roten Kreuz (DRK) ein Spenden-Konto eingerichtet. Darüber hinaus haben Vereine und Gruppen Benefiz-Aktionen angekündigt.

Bei Dieter Korf, Linzer DRK-Chef, steht das Telefon kaum noch still. Fast im Minutentakt erreichen Korf E-Mails, in denen Hilfe angeboten wird für die Familie, die mit dem Abriss ihres Einfamilienhauses ihr Hab und Gut verloren hat. "Beträge möchte ich nicht nennen. Aber wir konnten auf dem Spendenkonto schon mehr als 300 Gutschriften unterschiedlichster Höhe verzeichnen", gab Korf gestern auf GA-Anfrage einen Zwischenstand. Sogar aus den Niederlanden sei eine Spende eingegangen. Korf erneuerte seinen Appell: "Das Schicksal der Familie nimmt einen schon mit. Und jede Spende hilft."

Das tun auch die unterschiedlichsten Aktionen. So sammelte die Erpeler Feuerwehr beim Barbaraball am Wochenende Spenden. Konkret geplant ist auch ein Benefizkonzert mit zwei Bands aus der Region: Am Samstag, 14. März, spielen die Band Blueshunter aus Bad Honnef sowie die "Ton-Band 20.11" aus dem Raum Bad Honnef/Linz ab 18.30 Uhr in der Stadthalle Linz. Der Erlös kommt der "Initiative Hangrutsch Kaiserberg" sowie der Integrationsarbeit des Reitvereins Bruchhausen zugute. Veranstalter des auf Initiative der "Ton-Band 20.11" organisierten Konzertes ist der Lions-Förderverein Remagen-Unkel. Einlass ist ab 18 Uhr. Karten (acht Euro) gibt es an der Konzertkasse und im Vorverkauf im Musikhaus Hommerich Unkel, bei der Stadtentwicklungs- und Touristikgesellschaft Linz, bei Schreibwaren Hatzenberg Bad Hönningen, im Schuhhaus Diehl Bad Honnef, bei Günter Wragge Finanzplanung Bad Honnef sowie in den Bonn-Ticket-Shops des General-Anzeigers.

Auch der Tennisclub Linz wird aktiv. Die Mitglieder planen ein Benefizturnier. Das Husarencorps Grün-Weiss Linz nutzt den Kartenvorverkauf für das "Närrische Wochenende", um Spenden zu sammeln. Dazu werden am Samstag, 17. Januar, 10 Uhr, in der Gaststätte "Alt Linz" Spendendosen aufgestellt. Solche finden sich auch in vielen Geschäften in Linz. Zusätzlich informieren Flyer über die Aktion; hilfreiche Linzer haben sich bereiterklärt, die Flyer weiträumig zu verteilen. Gemeinsam mit der betroffenen Familie müsse noch geklärt werden, wie mit Sachspenden umzugehen ist. Korf: "Es ist toll, wie viele helfen wollen."

Die "Initiative Hangrutsch Kaiserberg" sammelt in Kooperation mit dem DRK Spenden und hat ein Konto eingerichtet: Sparkasse Neuwied, BLZ 574 501 20, Konto 302 999 94; IBAN DE 16 5745 0120 0030 2999 94; Empfänger DRK Linz e.V.; Kennwort "Initiative Hangrutsch Kaiserberg". Die Daten-Hotline lautet Tel. 02644/560199.

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