Kinderhilfe Tschernobyl Asbach Verein ermöglicht Kindern aus der verstrahlten Region Urlaub im Siebengebirge

ASBACH · Es ist der 26. April 1986, und Jutta Roth genießt das Feuerwerk. Auf den Oelberg ist die Königswinterin gewandert, um den Rhein "in Flammen" zu sehen. Ein herrlicher Blick ist das von dort oben. Es ist ein glücklicher Tag. Abends setzt Regen ein, eine dicke Wolkendecke zieht über Königswinter.

 Ferien-Spaß: Kinder aus Jelsk in Weißrussland kommen jedes Jahr ins Siebengebirge.

Ferien-Spaß: Kinder aus Jelsk in Weißrussland kommen jedes Jahr ins Siebengebirge.

Foto: Frank Homann

Ein Regenschauer, den sie längst vergessen hätte. Doch Stunden später berichten Medien über eine Reaktorkatastrophe, von einem Super-GAU im Atomkraftwerk Tschernobyl. Und dass die radioaktiv belastete Wolke gen Westen gezogen sei und sich allmählich ausregnet. Die Entwarnung für Deutschland kam erst Tage später. "Es war eine Katastrophe, die so weit weg und doch so hautnah war", erinnert sich Roth.

Heute sorgt sie mit dafür, dass das Unglück nicht in Vergessenheit gerät: Sie ist zweite Vorsitzende des Vereins Kinderhilfe Tschernobyl Asbach und Umgebung. Ein Verein, der seit 20 Jahren für Kinder und Jugendliche aus der verstrahlten Kreisstadt Jelsk in Weißrussland einen Erholungsurlaub im Siebengebirge organisiert. Inzwischen ermöglichte er mehr als 800 Kindern diese Auszeit.

"Aber die besten Jahre sind vorbei", hadert Vorsitzender Josef Szerencsi. Die Spendenbereitschaft sei stark rückläufig, Gastfamilien immer schwieriger zu finden. Wo anfangs noch bis zu 60 Kinder untergebracht werden konnten, bleiben heute noch 30 freie Plätze. "Der Verein stünde bereits auf der Kippe, wenn wir nicht vorausschauend für schlechtere Zeiten Geld gespart hätten", sagt Szerencsi.

Den Grund haben Szerencsi und Roth längst ausgemacht: Die Katastrophe rückt zunehmend in den Hintergrund. "Die Leute glauben, es ist schon wieder alles in Ordnung", sagt Roth. "Doch die Wahrheit sieht anders aus." Die Kreisstadt Jelsk, im Südosten Weißrusslands und nur 55 Kilometer vom ukrainischen Tschernobyl entfernt, gehört zu den meist kontaminierten Gebieten.

Etwa 24.000 Jahre dauert es, bis Plutonium - eines der radioaktiven Spaltprodukte - zerfällt. Laut verschiedener Studien ist belegt, dass die Zahl der durch die Strahlenbelastung hervorgerufenen Erkrankungen signifikant angestiegen ist - wie etwa Schilddrüsenkrebs oder Fehlbildungen bei Neugeborenen. Die landwirtschaftlich geprägte Region spürt die Folgen der Reaktorkatastrophe auch in anderen Bereichen: "Die Arbeitslosenrate ist sehr hoch, weil der Boden von den Bauern nicht mehr bestellt werden kann", sagt Szerencsi.

Die Kinder aus der Region sollen mit Hilfe des Asbacher Vereins aus diesem Alltag für eine Weile flüchten dürfen. Neben dem Transfer und Versicherungen übernimmt der Verein auch die Kosten für verschiedene Veranstaltungen während der drei Wochen Aufenthalt. Die Gasteltern kommen zudem für Unterbringung und Verpflegung auf.

Aktuell hat der Verein 47 Mitglieder, viele weitere helfen regelmäßig mit. So etwa bei der Kleiderbörse, die stets am ersten Sonntag nach der Ankunft der Kinder stattfindet. Unterstützt wird der Asbacher Verein unter anderem von der Evangelischen Kirchengemeinde Stieldorf-Heisterbacherrott, die seit Jahren ihre Kollekte spendet.

Zwei Jahre nach der Gründung trat schließlich auch Jutta Roth in den Verein ein: "Ich wollte nicht nur dastehen und jammern, sondern tätig werden", beschreibt sie ihre Motivation. Mittlerweile sind die Kinder, die in den Anfangsjahren nach Asbach kamen, selbst Eltern von Kindern, die in der Region des Siebengebirges Ferien machen. "So sind über Jahre sogar Freundschaften zwischen den Gasteltern und Kindern entstanden", erzählt Roth.

Gasteltern gesucht

Die Kinderhilfe Tschernobyl Asbach und Umgebung sucht derzeit noch weitere Gasteltern, die in diesem Jahr für drei Wochen ein Kind aus Jelsk aufnehmen. Darüber hinaus nimmt der Verein für seine Kleiderbörse noch Spenden an. Interessenten melden sich beim Vorsitzenden Josef Szerencsi unter der Rufnummer 02683/948720, bei Jutta Roth (02223/906428) oder bei Irina Pogorelow (02224/7798044) oder schreiben eine E-Mail an die Adresse info@kinderhilfetschernobyl-asbach.de.

Weitere Informationen über die Arbeit des Vereins gibt es im Internet unter der Adresse www.kinderhilfetschernobyl-asbach.de.

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