"Kinder in Not" Gisela Wirtgen sammelte bisher 18 Millionen Euro

WINDHAGEN · Eigentlich wollte sie nur einer abgebrannten Schule auf den Philippinen unter die Arme greifen. Als sich die Windhagener Unternehmerin Gisela Wirtgen aber vor Ort persönlich von der Lage überzeugen wollte, wusste sie: "Wir müssen mehr machen!" Dies war vor genau 30 Jahren die Geburtsstunde der Hilfsaktion "Kinder in Not" e. V.

 Trauriger Alltag auf den Philippinen: Kinder sammeln auf einer Müllkippe Verwertbares.

Trauriger Alltag auf den Philippinen: Kinder sammeln auf einer Müllkippe Verwertbares.

Foto: GA

Heute sitzt Gisela Wirtgen, 69 Jahre alt, täglich bis zu sechs Stunden in einem Büro gegenüber ihres weltweit agierenden Unternehmens und koordiniert eine Hilfsorganisation, die beeindruckende Zahlen aufweist: 18 Millionen Euro wurden seither gespendet, 25 Hilfsprojekte in drei Ländern unterstützt, mehr als 3000 Paten und etwa 70 ehrenamtliche Mitglieder für die Aktion gewonnen.

Neulich war sie wieder auf den Philippinen. Dort, wo sie begann, den Elendskreislauf zu durchbrechen. Die Liste an Hilfsmaßnahmen liest sich wie der Bauplan für eine Stadt: acht Vorschulen, eine High School, mehrere Ausbildungsstätten, ein Krankenhaus, drei Gesundheitszentren, ein Förderprogramm für Kleinbauernfamilien, ein Heim für sexuell missbrauchte Mädchen sowie ein Heim zur Rehabilitation für Mädchen, die aus dem Rotlichtmilieu aussteigen. "Wir verteilen keine Almosen. Wir leisten Hilfe zur Selbsthilfe", sagt Gisela Wirtgen.

Alles begann vor 30 Jahren mit Entsetzen. Gisela Wirtgen sah ein Baby, eingewickelt in Lumpen. Es baumelte unter der Decke einer Bambushütte. Gisela Wirtgen fragte die Mutter: "Warum tun Sie das?" Die Mutter antwortete nicht, holte das Baby von der Decke. Es war übersät von Bissen, an Bauch, Beinen, überall. Es waren Rattenbisse. Ein Baby, das im Elendsviertel Alegria dem Erdboden nahe kommt, ist ein beliebtes Rattenopfer.

Längst ist die Hilfsaktion auf Brasilien und Indien ausgeweitet worden. "Das Besondere ist, dass 100 Prozent des gespendeten Geldes in den Elendsvierteln ankommt", betont Wirtgen. Werbung schaltet Wirtgen grundsätzlich nicht, die anfallenden Verwaltungskosten zahlt ein einziger Spender. Das gespendete Geld fließt in erster Linie in die Ausbildung der Kinder und trägt mittlerweile erste Früchte: Dank der Patenschaft ist es einer jungen Philippinin gelungen, ihren Abschluss als Ärztin zu bewältigen.

Damit nicht genug: Die junge Ärztin wird nun in der Klinik der Hilfsaktion "Kinder in Not" arbeiten. "Damit schließt sich der Kreis", freut sich die Unternehmerin. Andere junge Menschen lernten wiederum, wie man gesund kocht. Noch andere schreinern Tische und Schränke, die sie ihren Familien in die unmöblierten Hütten stellen.

Das Mädchen lief orientierungslos umher, sie weinte bitterlich. Gisela Wirtgen fragte einen Pater, was ihr zugestoßen sei. Er sagte, ihre Mutter sei morgens gestorben. Diese habe vier Tage zuvor ein Kind geboren. Eine Geburt mit Komplikationen: Sie rang mi den Tod, doch der Vater fand drei Tage lang weit und breit keinen Arzt. Erst am vierten schien die Rettung zu nahen. Doch der Arzt hatte kein Antibiotikum, die Mutter starb und hinterließ sieben Kinder. Als Gisela Wirtgen die Geschichte hörte, beschloss sie, eine Klinik zu bauen.

Die Fürsorge um kranke Kinder ist in den drei Ländern nicht ausgeprägt. "Jede Familie hat mindestens ein eigenes krankes Kind", erzählt Wirtgen. Deshalb sei es umso wichtiger, aktiv zu sein. Gisela Wirtgen gilt als Macherin, eine Frau, die den guten Zweck nicht nur praktiziert, sondern lebt. Und eine, die nicht nur Abrechnungen prüft, sondern die sich regelmäßig vor Ort überzeugt, ob das Geld angekommen ist. Immer wieder enden diese Besuche mit jenem Satz, den sie schon anfangs, vor 30 Jahren, entsetzt ausgesprochen hat: "Wir müssen mehr tun!"

Es stinkt bestialisch auf der Müllkippe, die Gesundheitsgefahr wabert durch die Luft. Trotzdem leben 10.000 Philippinen rundherum, alle in armseligen Hütten. Die Kinder sortieren den Müll: Glas, Plastik, Verwertbares. Einmal sieht Gisela Wirtgen, wie ein Kind vor lauter Hunger eine faule Banane aus dem Müll kramt, in den Mund steckt und isst. Sie beschloss, eine Vorschule zu gründen, um die Kinder von den Müllkippen fernzuhalten. Mittlerweile sind es fünf Vorschulen.

Mehr Informationen, unter anderem ein Spendenkonto, finden Sie im Internet unter www.kinder-in-not.de. Die Aktionsgruppe "Kinder in Not" e. V. ist nach den Richtlinien des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen geprüft und empfohlen.

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