Kölner Philharmonie Webende und wogende Satzkunst

Für diese Nachtwache in der Kölner Philharmonie hätte ein Kerzchen die Wirkung noch vertieft. Gedämpftes Licht wandelte den Saal in die Atmosphäre eines feudalen Salons aus der Zeit der blauen Blume, Rezitation und Gesang erfreuten die Freunde des deutschen Liedgesangs, diesmal interpretiert von einem ganzen Chor.

 Teil des Gesamtkunstwerks: Johanna Wokalek.

Teil des Gesamtkunstwerks: Johanna Wokalek.

Foto: Thomas Brill

Thomas Hengelbrock hatte diesen besonderen Liederabend mit seinem und der Schauspielerin Johanna Wokalek entwickelt und bereits auf CD verewigt.

Entsprechend perfekt funktionierte dieses Wechselprogramm aus vertonter und - in diesem musikalischen Rahmen sogenannter - "absoluter" Lyrik. Der Kampf um die Vorherrschaft des Wortes lag lange zurück. Mendelssohn, Schumann und Brahms waren die Garanten für webende und wogende Satzkunst, für tonmalerische Strudel, für Wechselgesänge und turbulente Polyphonie.

Dazu traten zwei Werke der Komponistinnen Clara Schumann und Fanny Hensel (Mendelssohns Schwester), deren hervorragende Lieder nur selten erklingen. Welche musikalische Urkraft aber in den Texten selbst schlummert, in den Versen der fantastischen Meister Eichendorff, Mörike, Heine oder Brentano, das demonstrierte die Rezitatorin Johanna Wokalek. Die Schauspielerin, die in Wien studiert hat und dort mehrfach an der Burg begeisterte, wurde als vielmals mit Preisen beehrter Kinofilm-Star unter anderem in der Titelrolle in Wortmanns "Die Päpstin" einem breiten Publikum bekannt.

Jetzt inszenierte sie am Lesetisch zum Beispiel die Loreley-Geschichte von Clemens Brentano als lebendige Szene, mit wechselnden Sprecher-Rollen, mit emphatischen Ausbrüchen und brechenden Herzen. Das war großartig.

Hengelbrock, Chef beim NDR Sinfonieorchester, bezieht sich im Namen des von ihm vor knapp 25 Jahren gegründeten Chores auf den Architekten Balthasar Neumann, der bereits in der Barockzeit ganzheitlich dachte, also interdisziplinär. Dafür stand dieses Treffen zwischen Lyrik und Gesang, und zudem ein strategischer Aufbau des Abends, der die Nachtzeiten durchwandelte und neben großer Naturlyrik natürlich auch die Liebe und den Tod streifte.

Hengelbrocks oftmals sehr aufwendig, weil auch szenisch gearbeiteten Projekte kamen hier einmal zur Ruhe, ohne schläfrig zu wirken. Das ließen der oft geheimnisvoll dräuende, stets gespannte Chorklang und die wunderbare Rezitatorin niemals zu. Sie boten ein Gesamtkunstwerk auf kleiner, aber intensiver, eben blauer Flamme.

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