Schauspiel in Köln "The Shadow": Wie ein Stummfilm auf der Bühne

KÖLN · Zwei Hände, die sich in einen Vogel verwandeln, der auf einem Ast sitzt. Ob zwischen Nachttischlampe und Kinderzimmerwand oder hinter einer Leinwand im Depot 1 des Schauspiels, das Spiel mit den Schatten fasziniert.

 Niklas Kohrt und sein "Schatten" Melanie Kretschmann.

Niklas Kohrt und sein "Schatten" Melanie Kretschmann.

Foto: Aurin

"The Shadow", das jetzt seine Köln-Premiere feierte, basiert auf dem Märchen "Der Schatten" von Hans Christian Andersen (1805-1875), Regisseur Adam Traynor macht daraus für die Bühne ein Stummfilmdrama, unterlegt mit einer durchkomponierten und live gespielten Musik von Chilly Gonzales.

Neugierde veranlasst einen Gelehrten (Niklas Kohrt), seinen Schatten (Melanie Kretschmann) zum Spionieren ins Nachbarhaus zu schicken. Von diesem Ausflug kehrt dieser aber erst Jahre später zurück. Er ist mittlerweile fast selber Mensch geworden - und zu Reichtum gekommen, während der Gelehrte am Hungertuch nagt. Und als der Schatten eine Prinzessin (Sabina Perry) heiraten will, macht er den Menschen zu seinem Schatten. Dessen Versuch, sich zu wehren, nimmt - gar kein gutes Ende.

Zwei überdimensionale Leinwände flankieren einen Pavillon, in dem Chilly Gonzales und seine Musiker spielen (Bühne: Jens Kilian). Die weißen Wände sind Projektionsfläche für Zwischentexte und Schattenspielaktionen, tragen aber auch dazu bei, dass das riesige Depot 1 fast etwas Intimes bekommt.

Die Schauspieler dürfen - edel ausstaffiert von Bent Angelo Jensen vom Label "Herr von Eden" - richtig schön chargieren, was vor allem Melanie Kretschmann als "Schatten" weidlich ausnutzt. Da werden Augen dramatisch aufgerissen, chaplinesk mit Stühlen gekämpft, überdreht oder mit ganz großer Geste gestikuliert und die eingeblendeten Zwischentexte lautlos, aber mit überdeutlichen Mundbewegungen mitgesprochen.

Die Grat zwischen "übertrieben albern" und "gefangennehmend" ist schmal, aber es gehört Chuzpe dazu, es so zu inszenieren. Der begeisterte Schlussapplaus hatte seine Berechtigung. Und auch wenn die Produktion nicht als "Weihnachtsmärchen" ausgewiesen ist, dürften doch zumindest die älteren unter den jüngeren Zuschauern hier ebenfalls jede Menge Spaß haben.

Und wie sich das für ein Stummfilmspektakel gehört, ersetzt die Musik das gesprochene Wort, sie untermalt die Handlung, treibt sie voran, hebt sie in ungeahnte Höhen. Bildet man es sich nur ein, oder hört man irgendwann auch "Me and my shadow", diese fast 90 Jahre alte Al-Jolson-Nummer durchklingen? Oder sind es die Geschichte und die Inszenierung, die den Melodiefetzen suggerieren?

Auf jeden Fall ist Chilly Gonzales' Komposition ein wunderbar buntes Gemisch, mal Jazzschlager, mal Minimal à la Michael Nyman, mal Stummfilm-Geklimper, mal bombastische Filmmusik. Immer mal wieder kommt sie bekannt, immer wieder nur vertraut vor. Und würde sicher auch konzertant funktionieren.

Info

80 Minuten (ohne Pause). Wieder am 20.9. (19.30 Uhr), 21.9. (16 Uhr), Schanzenstr. 6-20. Karten bei KölnTicket, Tel. 0221/2801.

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