Karriere unter männlicher Maske Siri Hustvedt lies in Köln aus "Die gleißende Welt"

KÖLN · Siri Hustvedt kommt mit ihrem neuen Roman "Die gleißende Welt" nach Köln. Im Rahmen der phil.Cologne liest die amerikanische Autorin am 31. Mai um 20 Uhr, in den Balloni Hallen.

 Spitze Giftpfeile: Die amerikanische Schriftstellerin Siri Hustvedt.

Spitze Giftpfeile: Die amerikanische Schriftstellerin Siri Hustvedt.

Foto: dpa

Ich wollte die Welt blutig beißen, aber ich habe mich selbst gebissen", stellt Harriet Burden am Ende fest. Da allerdings hat sie die Kunstszene schon einem spektakulären Stresstest unterzogen. Die Witwe des New Yorker Galeristen Felix Lord träumte stets von eigenem Ruhm, ahnte aber schon die hämischen Kommentare. Und so jubelte sie ihre Werke drei männlichen "Masken" unter, die sie irgendwann schlagzeilenträchtig lüften wollte. Ein Plan mit fatalen Folgen ...

Glitzerndes Kaleidoskop

Siri Hustvedt erzählt diese fiktive Geschichte in ihrem Roman "Die gleißende Welt" keineswegs linear, sondern als glitzerndes Kaleidoskop. Ein gesichtsloser Herausgeber namens I.V. Hess setzt das Biografie-Puzzle der Verstorbenen aus Harriets Tagebüchern, den Berichten ihrer "Masken", Erlebnissen von Sohn und Tochter sowie mehr oder minder ätzenden Anmerkungen von Experten zusammen.

Alles rotiert hier um die Macho-Achse des Kunstbetriebs, der auch schon mal als "stinkendes Loch voll eitler Poseure" geschmäht wird. Mit ihren "Haus-Frauen" sowie den gewaltigen Puppen-Installationen erinnert Harriet an Louise Bourgeois. Doch auch all die anderen spät gewürdigten, früh gestorbenen oder zur Muse herabgewürdigten Geschlechtsgenossinnen stehen hier Spalier: Joan Mitchell, Eva Hesse, Dora Maar, Camille Claudel ...

Aus dem Schatten von Paul Auster herausgetreten

Dennoch hat die 60-jährige US-Autorin ("Der Sommer ohne Männer"), die längst aus dem Schatten ihres Mannes Paul Auster herausgetreten ist, kein plumpes feministisches Manifest verfasst. Harriets Kritikern wie dem wortgewandten Oswald Case legt sie ziemlich spitze Giftpfeile in den Köcher und lässt uns überhaupt im Ungewissen, ob hier wirklich ein weibliches Großtalent im Klischeekorsett der Szene erstickte.

Emanzipationsschneisen in der Dornenhecke der Männerwelt

Freunde süffiger Unterhaltung seien gewarnt, denn Hustvedt geizt keineswegs mit gelehrten Fußnoten über Psychiater, Neurobiologen, Philosophen von Kierkegaard bis Baudrillard oder "parakonsistente dreiwertige Logiksysteme". Selbst den Titel "Die gleißende Welt" borgt sich die Autorin trickreich bei Margaret Cavendish, die im 17. Jahrhundert schon Emanzipationsschneisen in die Dornenhecke der Männerwelt schlug.

Kein Zweifel also, dieses Buch ist eine gefräßige Intelligenzbestie und droht manchmal gar die eigene Heldin zu verschlingen. Doch Siri Hustvedt vergisst über all ihren klugen Anspielungen nicht die Spannung: Schon in den drei "Masken" steigert Harriet den Druck: Ist Anton Tish noch von argloser Harmlosigkeit, so folgt mit Phineas Q. Eldridge schon ein anspruchsvollerer Komplize.

Siegreicher Mephisto

Dann der Gipfel: Rune, ein vor Selbstbewusstsein strotzender Medienkünstler, soll Harriets Meisterstücke spektakulär in die Kunstgeschichte schmuggeln. Doch er kennt die Schwächen dieser großen, jungenhaften und oft Harry genannten Frau - und drückt unbarmherzig auf ihre Schmerzpunkte.

Rune ist der siegreiche Mephisto dieses Teufelspakts und zugleich eine dubios-schillernde Gestalt, in der sich das Prätentiöse mancher Kunstmoden spiegelt. Das letzte Wort in diesem fantastisch-komplexen, furios-vieldeutigen Roman hat die Aura-Seherin Sweet Autumn. Sie erkennt in Burdens letzten Momenten, "dass jedes einzelne dieser wilden, verrückten, traurigen Dinge, die Harry geschaffen hatte, erfüllt war vom Geist".

Siri Hustvedt: Die gleißende Welt. Roman, aus dem Englischen von Uli Aumüller. Rowohlt, 491 S., 22,95. Euro. Bei der phil.Cologne liest Hustvedt am 31.5., 20 Uhr, in den Balloni Hallen, Ehrenfeldgürtel 88-94.

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