Museum Schloss Morsbroich Schillernde Fabelwesen und Dämonen

So etwas hatte man noch nie zuvor gesehen: Mit monumentalen Holzschnitten in intensiven, leuchtenden Farben und einem eigenwilligen Bildrepertoire sprengten die Brüder Gert und Uwe Tobias (Jahrgang 1973) vor über zehn Jahren auf spektakuläre Weise die Grenzen des Bekannten und machten schnell Furore in der Kunstwelt.

 "Es geht nur um eine Stimmung": Gert und Uwe Tobias in der ihnen gewidmeten Ausstellung.

"Es geht nur um eine Stimmung": Gert und Uwe Tobias in der ihnen gewidmeten Ausstellung.

Foto: FRANZ FISCHER

Prestigeträchtige Häuser wie das Hammer Museum in Los Angeles und das Museum of Modern Art in New York zeigten ihre Werke; 2008 hat das Bonner Kunstmuseum sie mit einer Schau gewürdigt.

Jetzt widmet das Museum Morsbroich ihnen eine knapp 80 Arbeiten umfassende Ausstellung, in der die ganze Vielfalt ihres Oeuvres ausgebreitet wird. Weit mehr als die Hälfte der Werke ist in den vergangenen sieben Monaten entstanden. "Draculas Drucker" war eines der griffigen Etiketten, die man den aus Siebenbürgen stammenden Zwillingen anheftete. "Heimat spielt nicht wirklich eine Rolle", beteuerten die beiden indes bei der gestrigen Pressevorbesichtigung und machten unmissverständlich klar, dass "die biographische Nummer" sie mittlerweile ziemlich nervt.

Anregungen beziehen sie aus vielen Quellen: aus der gesamten Kunstgeschichte, die sie für ihre Zwecke durchforsten; außerdem aus Büchern und Zeitschriften. Was als geeignet erscheint, "transformieren wir in unsere Bildsprache", wie Uwe Tobias wissen lässt.

Motive werden in verschiedenen Medien durchgespielt und weiter entwickelt, außerdem in Farbe und Größe variiert, so dass der aufmerksame Betrachter häufige Déja-vu-Erlebnisse hat. Unübersehbar ist außerdem das Faible der smarten Zwillingsbrüder für das Grotesk-Abgründige und Surreale, das sich in Keramiken, Zeichnungen, Collagen und Schreibmaschinenarbeiten ebenso bemerkbar macht wie in den Drucken.

In Leverkusen bildet indes kein Holzschnitt den Auftakt, sondern eine massige Keramikskulptur, die an einen weiblichen Torso erinnert. Sie ist umgeben von neuen Zeichnungen, die flüchtige, gespensterartige Gestalten zeigen. Überwältigend sind die großformatigen Zeichnungen mit Pastell und Buntstiften, an denen sich ihr spielerischer Umgang mit Motiven aus unterschiedlichen Kontexten ablesen lässt. Seltsame Misch- und Vogelwesen, die an Max Ernst denken lassen, werden hier in surrealistischer Manier mit Möbeln, Gefäßen und anderen Bestandteilen kombiniert. "Die Zeichnung ist ganz wichtig für die Holzschnitte", betonen die Brüder. Diese drucken sie seit einiger Zeit nicht mehr auf Papier, sondern auf Leinwand, weil das den Arbeiten eine andere Präsenz und Haptik verleihe.

Der Aufwand für Herstellung ist immens. Jedes Element wird einzeln ausgesägt, eingefärbt und in Ermangelung einer geeigneten Presse mittels des eigenen Körpergewichts gedruckt. Kein Arbeitsgang wird delegiert. "Die Handschrift würde sich verlieren, wenn man das nicht selbst machen würde", sind sich die Brüder einig, die nie mehr als zwei Abzüge anfertigen.

Staunend steht man vor den mächtigen Tableaus, auf denen unterschiedlichste Versatzstücke kraftvoll und unbekümmert miteinander verwoben werden: schillernde Fabelwesen und Dämonen, totemhafte Erscheinungen, Möbelstücke und arabesk-florale Formen, mit denen die Künstler dann doch auf die Folklore ihrer Heimat zurückgreifen. Geschichten erzählen sie allerdings nicht. "Es geht nur um eine Stimmung oder einen Zustand", erklärt das Zwillings-Team gewohnt einvernehmlich.

In der Grafiketage ist zeitgleich unter dem Titel "Lichtsplitter" eine Auswahl von Holzschnitten aus dem eigenen Bestand zu sehen, darunter ist auch eine aus dem Jahr 2003 stammende Arbeit der Tobias-Brüder.

0 Museum Morsbroich, Leverkusen, Eröffnung Sonntag um 12 Uhr. Bis 23. August. Öffnungszeiten: Di-So 11-17 Uhr, Do 11-21 Uhr. Katalog 32 Euro.

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