Rheingold Bellevue und Galerie Radicke Menschen im Hotel

Zwei Ausstellungen in der Region: Roy Mordechay im Rolandsecker Rheingold Bellevue und Volker Kühn in der Galerie Radicke.

 Roy Mordechay zeigt Aquarelle und Videos im ehemaligen Hotel Rheingold Bellevue.

Roy Mordechay zeigt Aquarelle und Videos im ehemaligen Hotel Rheingold Bellevue.

Foto: SCHOENEBECK

Rheingold Bellevue. Seine Arbeiten seien alles andere als heroisch, sagt Roy Mordechay. Er wolle nichts Monumentales, sondern etwas Lebendiges schaffen. Wir stehen im ehemaligen Hotel Rheingold Bellevue in Rolandseck unweit der Fähre, blicken auf vorbeifahrende Schiffe und lassen uns umgarnen vom morbiden Charme einer in die Jahre gekommenen Diva.

Nach jahrzehntelangem Leerstand hat die Johannes-Wasmuth-Gesellschaft das wie aus der Zeit gefallene Objekt kulturell wiederbelebt, man könnte an das Märchen von Dornröschen denken. In diesem Fall hat die schöne Königstochter den langen Schlaf jedoch nicht unbeschadet überstanden. Innen und außen ist der Verfall nicht zu übersehen, überall bröckelt es, die Decken mussten abgestützt werden und durch ein Fenster wuchert der Efeu.

Doch das gehört zum Zauber des Ortes, ebenso wie die Konzerte, die seit einigen Monaten hier stattfinden. Und jetzt ist auch die bildende Kunst eingezogen, in Form einer Ausstellung mit Arbeiten von Roy Mordechay. Das ist durchaus riskant, denn das Ambiente erweist sich als dermaßen dominant, dass die Kunst es schwer hat.

Aber Mordechay ist ein Glücksgriff, denn er arbeitet nicht gegen sondern mit dem Raum, verbindet Historisches mit der Gegenwart, verwebt seine eigene Geschichte mit der des Ortes. Er gehe von innen und von außen an die Situation heran, sagt der 1976 in Tel Aviv geborene und zurzeit in Düsseldorf lebende Künstler.

In zarten Aquarellen erzählt er Geschichten, die innere Seelenlandschaften mit Assoziationen und Fakten aus der unmittelbaren Umgebung und der Architektur vermischt. Mordechay hat sich mit Wagner beschäftigt, ein Porträt des Komponisten in die kleine Apsis projiziert und ihm ein müdes Augenzwinkern mitgegeben. Von Wagner und dessen legendärer Liebe zu seinen Hunden wird der Faden gespannt zu Klaus Decker, dem Besitzer des Bellevue, der nebenan wohnt.

In einem aktuell entstandenen kurzen Video erzählt Decker von seinen Hunden, die ihn begleiten und schließlich ihre letzte Ruhestätte unter dem Magnolienbaum auf dem Hotelgrundstück finden. Mordechay versteht es meisterhaft, die Fäden aufzunehmen und sie miteinander zu verweben, ohne zu unterscheiden, ob sie ihren Anfang in der Imagination oder in der Realität hatten. Das lässt dem Betrachter viel Raum, um irgendwo in diesem Netz anzuknüpfen und die eigene Geschichte weiter zu erzählen.

Hotel Rheingold Bellevue, Bonner Straße 68, Remagen-Rolandseck, bis 19. Oktober, Do 17-20 und So 15-18 Uhr, sowie nach Vereinbarung

Galerie Radicke. Selbst bei wiederholten Streifzügen durch seine üppig repräsentierte Objektkastenwelt kann der Ausstellungsgast kaum jene Fülle von Pointen, Finten, Marginalien und Details erfassen, die Volker Kühn allenthalben zusammenbraut. Der an der Bremer Hochschule für bildende Künste ausgebildete Bildhauer versteht es, fantasiestrotzende Bühnenbilder und Einakter in Miniaturformaten zu konstruieren.

Aus einer weit gespreizten Themenspanne ausgesucht hat Galeristin Jutta Radicke die Schwerpunkte: Kunst, Zirkus, Finanzwesen, Sport und Menschenalltag. Begleitet werden die über achtzig Schaukastenexemplare vom eher beschaulichen Figurenkosmos Siegbert Amlers.

Divergierende Auslotungen ähnlicher Motive verklammern zwei diametral entgegengesetzte Positionen. Kühns Bühnenrequisiten sind mehr als vielfältig: prägnante Laubsägearbeiten mischen sich mit Zitaten aus der Spielindustrie, aus Modellbau, Souvenirabteilungen oder Werkzeugkisten. Grafische Miniaturen, Gemälde im Liliputformat, Filigranplastiken, Ministaffagen stocken das in die dritte Dimension überführte, mit Bedacht bevölkerte Inventar auf.

Frech, amüsant, mit einer ordentlichen Dosis Schalk begibt sich der 1948 geborene Bildhauer auf das Parkett der klassischen Moderne und der zeitgenössischen Kunst. Zu bestaunen sind einfühlende Projektionen (Rubrik: "Hommage") etwa in die Werkstatt Mondrians, Fontanas, Yves Klein, Pollocks, Ueckers. Restlos umgarnt von einem wilden Getümmel der Farbenstrudel, Farbespritzer und Farbenlachen ist die extrem besudelte Miniaturgestalt eines Pollock, derweil ein auf Nägeln jonglierender Uecker emsig an einem überdimensionalen Nagelkissen laboriert.

Eine andere Variante der plastischen Übersetzung bilden Gartenanlagen, in denen man unmittelbar einsteigt in Werkzitate etwa von Calderon, Picasso, Klee, Miro oder Keith Haring.

Galerie Radicke, Eisenachstr. 33, St. Augustin, bis 30. Oktober. Öffnungszeiten nach tel. Vereinbarung: 02241/335773

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