Ausstellung in Köln Malerstar David Hockney im Museum Ludwig

Köln · Diese Ausstellung ist ein Geschenk der Götter": Kasper König, der schon verschiedentlich mit Glanz und Gloria abgefeierte Direktor des Museums Ludwig, freut sich sichtlich über den bombastischen Ausklang seiner Kölner Ära.

 Impressionen aus Yorkshire: David Hockneys "A Closer Winter Tunnel, February - March", 2006.

Impressionen aus Yorkshire: David Hockneys "A Closer Winter Tunnel, February - March", 2006.

Foto: Museum

"Ich finde es toll, mich mit einer so populären Ausstellung verabschieden zu können." Er habe nicht auf Besucherquoten geschielt, freue sich aber, wenn viele ins Haus kämen. Man muss kein Prophet sein, um Köln einen Blockbuster vorherzusagen: Für den Malerstar David Hockney ist das Attribut "big" nicht groß genug, seine Ausstellung nennt er denn auch "A Bigger Picture".

Abgeleitet von einem Riesenwerk, das er für die Londoner Royal Academy of Arts schuf, als Epizentrum zu einem wahnwitzigen Alterswerk, das seit rund sieben Jahren Konturen annimmt. Besser: den Rahmen sprengt. In einer unglaublichen Schaffenswut hat der 75-jährige Brite ein zumindest numerisch rekordverdächtiges Landschafts-Oeuvre zusammengemalt, -gezeichnet und -gefilmt.

Die Ausstellung startete in der Royal Academy und erfreute 650.000 Besucher (doppelt so viele wie zuvor van Gogh), ging dann ins Guggenheim nach Bilbao (500.000 Besucher) - der Kölner Kurator Stephan Diederich ist nicht zu beneiden, denn der Erfolgsdruck ist groß. Immerhin kann er an die exzellente Hockney-Ausstellung mit "Photoworks" aus dem Jahr 1997/98 anknüpfen, als im Museum Ludwig die fantastischen Panoramen des Grand Canyon zu sehen waren.

Der auf blaue kalifornische Swimmingpool-Bilder abonnierte und zu oft reduzierte Künstler hatte sich damals als fotografierender Maler neu erfunden. Und auch bei "A Bigger Picture" ist das so. Technische Innovation - Hockney entdeckte zunächst das iPhone, dann das iPad als immer und überall einsetzbares Mal- und Zeichengerät - trifft auf eine essenziell wichtige Ortsveränderung.

2005 beschloss er, von Los Angeles in seine Heimat zu ziehen, nach Bridlington an der Ostküste Yorkshires in Großbritannien. Es war das Licht, das ihn reizte, der Wechsel innerhalb des Tages, der Fluss von Jahreszeit zu Jahreszeit, die Atmosphäre im Kreislauf der Natur. Kalifornien hat dergleichen nur begrenzt zu bieten. Mit dem Elan eines jungen, neugierigen Künstlers stürzte sich der damals fast 70-Jährige in das Abenteuer Landschaft, der britischen Königsdisziplin der Malerei mit Meistern wie Constable, Reynolds und Gainsborough.

Die Kölner Schau zeigt in üppiger Breite, wie, auf welchen Kanälen und mit welchem kunsthistorischen Hintergrund sich Hockney die Natur seiner Jugend neu aneignete: Erstmals versuchte er sich durchaus virtuos als Aquarellist, gleichzeitig experimentierte er mit der MalSoftware "Brushes" auf dem iPad, er malte wie die Impressionisten mit Ölfarben auf Staffelei in freier Natur oder zu Hause am Computer.

Und er entwickelte ein Verfahren, Licht und Natur in Bewegung einzufangen: Sechs Kameras, auf einem Rahmen und einem Jeep montiert, der einen Waldweg entlangfuhr, gaben ein facettiertes, leicht wackeliges Gesamtbild ab, ganz nahe bei dem, was vielleicht ein Spaziergänger wahrnimmt. Natur als Erlebnis.

Sein faszinierendes Filmexperiment hat Hockney durch die Jahreszeiten dekliniert - er zeigt sie in vier Blöcken aus je neun Monitoren. Die vielleicht beste Arbeit einer Schau, die den Besucher in erster Linie mit bunter Masse überwältigt: Unzählige, mitunter grelle Gemälde und iPad-Drucke zeigen die ganze Pracht und Vielfalt von Yorkshire, mal in der strahlenden Sonne, mal wolkenverhangen. Jedes Bild ist farbsatt, flott und etwas flüchtig gemalt, ein grenzenlos naiver, fröhlicher und unprätentiöser Blick auf die Welt.

Staunend zog der Meister durch die Lande und produzierte Bild um Bild, erfreute sich etwa am Frühling in Woldgate: Vom 3. Januar bis 2. Juni 2011 dokumentierte er mit 51 iPad-Bildern und dem zehn Meter breiten Gemälde eines Fantasy-Waldes das Erwachen der Natur. Der Zyklus hängt im großen Oberlicht-Raum, dem früheren DC-Saal. Während hier ein schlüssiges Konzept greift, wirkt vieles sonst arg beliebig, uferlos.

Irgendwie in der Luft hängt auch Hockneys Projekt, ein beschädigtes Landschaftsbild Claude Lorrains ("Bergpredigt", 1656) aus der New Yorker Frick-Collection optisch zu rekonstruieren und in ein Megaformat zu übersetzen. Hockneys Version hängt mit stark vergrößerten iPad-Bildern des Yosemite-Nationalparks, die in ihrer Anmutung wiederum stark an alte fernöstliche Malerei erinnern, in einem Raum. Ein rustikal-wuchtiges Statement.

Wie virtuos und ungeheuer differenziert er dagegen sein kann, zeigen etliche Skizzenbücher, in denen er mit Stift und Pinsel seine Eindrücke festhielt. Mit der folgenden iPad-Phase geht diese Akkuratesse verloren. Hockney ist, das zeigt die Schau, permanent in Bewegung. Ganz neu eine Arbeit mit Jongleuren auf 18 Monitoren - vielleicht der Anfang für eine neue Werkgruppe?

Auf jeden Fall ein Versuch wie "A Bigger Picture" es auch ist: Im großartigen historischen Umfeld der Landschaftsmalerei setzt Hockney keine neuen Akzente, aber er verführt die Menschen - und sicherlich viele junge - dazu, die Augen zu öffnen, hin zur Natur und zur Malerei.

Museum Ludwig Köln; bis 3. Februar 2013. Eröffnung: Freitag (26.10.), 19 Uhr. Di-So 10-18, Katalog (Hirmer) 39,80 Euro

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