Kölner Halle Kalk Männermisere als lahmes Hörspiel

KÖLN · Mattes Stück: Sibylle Bergs "Viel gut essen" wurde in der Kölner Halle Kalk uraufgeführt

Versprechen oder Warnung? "Am 18. in Köln, ins Theater gehen, um Nackte anzusehen. Kommt ihr?", textete Sibylle Berg in sozialen Netzwerken zur Uraufführung ihres Stücks "Viel gut essen" in der Halle Kalk. Wohl eher ein Marketinggag - jedenfalls dann, wenn einen der Zufall der Kartenvergabe auf die Zuschauertribüne B verschlagen hat. Regisseur Rafael Sanchez und seine Bühnenbildnerin Sara Giancane präsentieren die Inszenierung auf einer zweigeteilten Bühne: weiß ausgeschlagene, leere Räume, getrennt durch eine hohe Wand. Hüben ein Mann, drüben ein Chor. Ob das die beste aller Ideen war, darf getrost bezweifelt werden. Die nicht einsehbare zweite Bühne löst Frustrationen aus: Wie mag es dort wohl zugehen?

Unterhaltsamer, vielleicht. Die Leute lachen jedenfalls lauter als hier. Hier, das ist der Monolog eines Mannes in den mittleren Jahren. Yuri Englert zeigt ihn als Memme mit zappeligen Knien, schleppend im Tonfall und sich selbst so entfremdet, dass ihn emotional nichts mehr zu berühren vermag. Einziges Problem: Englert ist Jahrgang 1977 und damit zu jung besetzt, um den späten Mittvierziger des Textes glaubhaft zu verkörpern. Dieser breitet ein bürgerliches Leben zwischen IT-Branche und Bio-Supermarkt aus. Schade nur, dass die Inszenierung eine ebenso mäßig aufregende Erfahrung bereithält. Präziser: Hörspielerfahrung. Die Suada über das Mannsein erweist sich als vielstimmige, aber vollkommen undramatische Feuilleton-Kolumne, der es zu allem Überfluss an Zynismus gebricht. Und so stellt sich ein Gefühl ein, das bei einem Text von Frau Berg (wie sie im Programmheft firmiert) am wenigsten zu erwarten war: Langeweile.

Die Passagen, die sie dem Chor auf der anderen Bühnenseite in den Mund legt, sind zwar ungemütlich, werden aber überdeutlich kritisch zitiert: dumpfe Vorurteile gegen gleichgeschlechtliche Beziehungen, gegen Migranten, gegen alles Neue. Zwei Seelen wohnen ach in seiner Brust: hier die von Ängsten geplagte Menschlichkeit und dort die aggressive Abwehr gegenüber dem Verlust der Vormachtstellung des weißen, heterosexuellen Mannes. Kurz vor Schluss werden schließlich doch Seiten getauscht. In weißen Ganzkörperanzügen springen vier Gestalten mit schwarzer Brille und blondem Pony auf diese Hälfte der Bühne. Ein bisschen Woody Allen kommt immer gut.

Nächste Termine: 22., 23., 25., 28., 30.10., 19.30 Uhr.

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