Loreley-Freilichtbühne Klangzauber unter regnerischem Himmel mit den Berliner Philharmonikern

Loreley · Die Berliner Luft war beim traditionellen Saison-Abschlusskonzert der Philharmoniker auf der Waldbühne am Freitagabend deutlich angenehmer temperiert als einen Tag später beim Konzert auf der Loreley-Freilichtbühne in St. Goarshausen.

 Regen - na und? Dirigent Gustavo Dudamel und seine Musiker lassen sich vom Wetter nicht irritieren.

Regen - na und? Dirigent Gustavo Dudamel und seine Musiker lassen sich vom Wetter nicht irritieren.

Foto: Monika Rittershaus

Während in der Bundeshauptstadt 20 000 Philharmoniker-Fans die Musik von Tschaikowsky und Brahms bei bestem Picknick-Wetter genießen konnten, gehörten Regen-Capes und -schirme zur unverzichtbaren Grundausrüstung der 3000 Musikenthusiasten, die den romantischen Ort oberhalb des Rheins besuchten.

Dennoch kann man das Loreley-Debüt der Berliner Philharmoniker als ein geglücktes bezeichnen. Erstens weil der Regen bis zum dritten Satz der ersten Sinfonie von Johannes Brahms, die im zweiten Konzertteil auf dem Programm stand, zumindest eine Atempause einlegte, und zweitens weil die Musiker unterm Zeltdach völlig unbeeindruckt von den widrigen Wetterbedingungen schlichtweg mitreißend spielten.

Daran hatte Dirigent Gustavo Dudamel, der den gerade zum fünften Mal Vater gewordenen Orchesterchef Sir Simon Rattle vertrat und seit 2008 nun bereits zum 35. Mal am Philharmoniker-Pult stand, ganz entscheidenden Anteil. Der mittlerweile 33-jährige Venezolaner, dem beste Chancen eingeräumt werden, 2018 die Nachfolge Rattles anzutreten, hatte zwei sinfonische Stücke ausgewählt, für die Peter Tschaikowsky sich von Shakespeare-Dramen hatte inspirieren lassen.

Er begann mit der Fantasie "Der Sturm" op. 18, deren Farben vom herrlich runden Streicherklang bis hin zu den choralartigen Blechbläser-Passagen den Raum der Amphitheater-Freiluftanlage wunderbar erfüllten. Überhaupt war es ganz erstaunlich, unter welch guten akustischen Bedingungen die Philharmoniker hier spielten.

Selbst die filigranen Streicherbewegungen am Anfang und Ende der Fantasie und die wie aus der Ferne klingenden Naturlaute von Horn, Trompete und Holzbläsern machten einen berückenden Eindruck. Ebenso der trauerumflorte Bläserbeginn der Fantasie-Ouvertüre "Romeo und Julia" und die im weiteren Verlauf sich einstellenden heftigen dramatischen Zuspitzungen mit ihren brillanten Schlagwerkakzenten. Dudamel und die Berliner machten Tschaikowsky hier fürs Publikum als einen wahren Klangzauberer erlebbar.

Auch wenn Brahms und Tschaikowsky sich im wirklichen Leben nicht besonders schätzten, wirkte der Zusammenschluss der Musik beider Komponisten an diesem Abend durchaus natürlich. Gerade die im Vergleich etwa zur zweiten Sinfonie des Deutschen eher dunkel getönte erste Sinfonie könnte hier als Versöhnungsgeste zwischen den beiden Komponisten verstanden werden. Zumal Dudamel diesen ernsten Ton schon in der Sostenuto-Einleitung, in der die Pauke markant den Takt angibt, zu suchen schien.

Die Brahms-Sinfonie hielt an diesem Abend trotz dieser Grundstimmung viele Glücksmomente für den Hörer bereit, dazu zählten natürlich auch die vielen Solostellen, wie etwa das von Albrecht Mayer geblasene Oboen-Solo im langsamen Satz. Aber auch der im Gesamtkontext wunderbar leicht und unbeschwert wirkende dritte Satz fand hier eine ebenso perfekte Wiedergabe wie das bereits vom einleitende Alphornthema an unter Hochspannung stehende Finale. Das Publikum jubelte, und die Berliner verabschiedeten sich mit dem Galopp-Abschnitt aus Rossinis "Wilhelm Tell"-Ouvertüre in die regnerische Nacht.

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