Rush in der Lanxess-Arena Kanonendonner in der Wunderkammer

Köln · Berlin hat Glück. Aber Köln auch. Auf ihrer "Clockwork Angels"-Tour macht die kanadische Band Rush nur in zwei deutschen Städten Station. Schon zwei Tage vor Berlin, hier treten die ProgRock-Virtuosen am Donnerstagabend in der O2 World auf, kam Köln am Dienstag in den Genuss einer fantastischen Show.

 Rush in Aktion: Bassist Geddy Lee (rechts) und Alex Lifeson in der Kölner Lanxess-Arena.

Rush in Aktion: Bassist Geddy Lee (rechts) und Alex Lifeson in der Kölner Lanxess-Arena.

Foto: Thomas Brill

Drei Stunden lang, mit Pause, verwandelten Geddy Lee (Gesang, Bass, Keyboard), Alex Lifeson (Gitarre) und Neil Peart (Schlagzeug) die Lanxess-Arena in eine wahre Wunderkammer. Der Inhalt des 20. Studioalbums wird hier zum Programm. Auf komplett allen Ebenen.

Die Geschichte der Engel im Uhrwerk ist die eines jungen Mannes, der sich, ganz im fantastischen Stil eines Jules Verne Romans, auf eine Reise durch wundersame Welten begibt. Leitmotivisch tauchen Uhren auf, sie sind allgegenwärtiger Teil des Bühnenbilds.

Das Zifferblatt schmückt den roten Teppich, auf dem Zeremonienmeister des alchimistischen Rocks und des epischen Steampunks Großartiges leisten, es prangt auf der Basedrum und umläuft als Relief die Bestandteile von Pearts gigantischer, messingfarbener Schlagzeugvorrichtung, die mit all ihren Aufbauten, den Glockenspielen, Gucklöchern für Projektionen, Kerzen, Becken, Trommeln und Pads wirkt, wie ein futuristischer Weihnachtsbaum.

Der sich sogar wie ein Karussell drehen kann. Mit dem Intro "Subdivisons" serviert das kanadische Trio gleich einen seiner Klassiker aus den 1980ern, gefolgt von "Big Money", dessen subtile Wucht bei 6 000 Fans für reines Entzücken sorgt.´

Geddy Lee, der gleich dreifach im Einsatz ist, liefert sich mit dem souveränen Alex Lifeson furiose Saitendialoge, dazwischen bedient er die von Zahnrädern, Lampen und Röhren bestückten Tastenmodule und lässt stimmlich eine enorme Bandbreite erkennen, die von metallischer Härte bin hin zu melodiösem, lyrischem Gesang reicht.

Bis der große Peart zum ersten Drum-Solo ansetzt, braucht es gerade mal neun Stücke. Der Mann ist kein Musiker, der Mann ist ein Gigant, einer der letzten, wenn nicht gar der allerletzte seiner Liga. Dass er tatsächlich schon 60 ist, glaubt niemand, der es nicht weiß. Von ihm und seinen beiden, nur je ein Jahr jüngeren, Bandkollegen, kann der Nachwuchs noch eine Menge lernen.

Die Fans im Innenraum toben, Hände recken sich in die Luft, Männer mit Tattoos und schwarzen T-Shirt spielen Luftschlagzeug, auch Frauen sind da, aber erheblich weniger, das Durchschnittalter liegt bei 50 plus. Muss Geddy wirklich ansagen, dass "The Analog Kid" schon über 30 Jahre alt ist, wo doch jeder weiß, von welcher Scheibe das Stück stammt? Nebelschwaden wallen auf, mit einem Kanonendonnerschlag jagen Flammenfontänen empor, die Hitze kann man bis in die unteren Ränge spüren.

Das "Clockwork Angels String Ensemble" ist ein wildes Ensemble von wahrhaften Teufelsstreichern, das Stücke wie "Caravan", "Carnies" oder "The Garden" von "Clockwork Angels" zusätzliches Tempo und furiose Fülle verleiht. Noch längst ist die Zeit der Delikatessen nicht vorbei. "The Spirit Of Radio" und, als erste Zugabe, "Tom Sawyer" peitschen den Jubel weiter an.

Erst mit drei Teilen aus "2112" geht der rundum grandiose Abend zu Ende. Fast. Denn als Trostpflaster gibt's noch einen Film.

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