Herbert Blomstedt und die Wiener Philharmoniker Humor mit Fallhöhe

Köln · Die Sinfonien Ludwig van Beethovens zählen zum Kerngeschäft der Wiener Philharmoniker. Vor ein paar Jahren haben sie die neun Opera unter der Leitung von Christian Thielemann eingespielt und als DVD-Edition herausgegeben.

 Große Klasse: Der 88-jährige Herbert Blomstedt probt in Köln mit den Wiener Philharmonikern.

Große Klasse: Der 88-jährige Herbert Blomstedt probt in Köln mit den Wiener Philharmonikern.

Foto: Thomas Brill

Mit zwei Beethoven-Sinfonien waren sie nun am Mittwochabend in der fast ausverkauften Kölner Philharmonie zu Gast, diesmal mit Herbert Blomstedt am Pult. 32 Lebensjahre trennen die beiden Dirigenten. Erstaunlicherweise aber wirkt Beethovens Musik unter der Leitung des 88-jährigen Schweden deutlich vitaler und auch zeitgemäßer als unter der Direktion seines 1959 geborenen deutschen Kollegen. Man muss nur einmal das Thema des Menuetts aus der achten Sinfonie nehmen, das unter Thielemann rubatoschwer ächzt, während Blomstedt es mit tänzerischer Leichtigkeit spielen lässt.

Blomstedt nimmt die heitere achte Sinfonie, der in der zweiten Konzerthälfte noch die siebte Sinfonie folgte, gleichwohl nicht auf die leichte Schulter. Für Beethovens Achte gilt das gleiche wie für Shakespeares Komödien oder Mozarts späte Opern: Auch das Leichte braucht eine gewisse Fallhöhe, damit es nicht ins Seichte abgleitet.

Und diese Fallhöhe erreicht Blomstedt gleich im ersten Satz, den er ungemein zupackend musizieren lässt, die Durchführung wird zum spannenden Drama, dessen Tonsprache in der Reprise noch einmal geradezu euphorisch überhöht wird, bevor der Satz mit leisem Augenzwinkern schließt.

Im Scherzando, dessen tickender Rhythmus die Zeitgenossen an ein Metronom erinnerte, gelang es Blomstedt ebenfalls, Beethovens Humor schön in Szene zu setzen, indem er die Akzente als irritierende Schreckmomente explodieren ließ. Und das Finale nach dem feinsinnigen Menuetto begeisterte mit einer unbändigen Vitalität, mit welcher die hoch motivierten Wiener es unter dem auswendig dirigierenden Blomstedt spielten.

Die siebte Sinfonie erlebte an diesem Abend eine nicht weniger packende Interpretation. Blomstedt legt es mit seinen Tempi zwar nicht auf neue Rekorde an. Sein Beethoven klingt in dieser Hinsicht weniger radikal als etwa der von Riccardo Chailly und dem Leipziger Gewandhausorchester. Aber es reicht allemal, um den Geist des Werkes zu fassen, die hoch exaltierte Art, die in den schnellen Sätzen zum Tragen kommt.

Dass in dieser Sinfonie der Trauermarsch nicht als pathetisches Adagio, sondern im Allegretto-Zeitmaß vorübertänzelt, spricht Bände. Die Wiener spielten diesen Satz mit seinen wunderbaren kontrapunktisch geführten Melodielinien mit größter Subtilität. Überhaupt spürte man bis zum rasenden Finale, dass sie mit jeder Faser bei der Sache waren. Die prachtvollen Streicher, die großartigen Hörner, die wunderbare Soloklarinette, die virtuose Flöte, all das machte das Hören zu einem großen Genuss. Nach Applaus und Standing Ovations dirigierte Blomstedt noch die Egmont-Ouvertüre, deren perfekte Balance aus Transparenz und pointiert zupackendem Spiel die Interpretation zu einem Ereignis machte.

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