Queen Esther Marrow in Köln Glaube, Liebe, Hoffnung

Köln · Dieses Medikament gibt es nicht auf Rezept. Man kann es in keiner Apotheke kaufen, und es ist nur innerhalb eines bestimmten Zeitraums erhältlich. Wobei Letzteres sehr schade ist. Denn eine Überdosierung kann man grundsätzlich ausschließen.

 Queen Esther Marrow mit dem Saxofonisten Marquis "Q" Sayles bei der Premiere im Musical Dome.

Queen Esther Marrow mit dem Saxofonisten Marquis "Q" Sayles bei der Premiere im Musical Dome.

Foto: Thomas Brill

Wer Queen Esther Marrow und ihre Harlem Gospel Singers einmal live erlebt hat, möchte mehr davon. Jedes Jahr, immer um Weihnachten und Silvester herum, gehen der Chor aus Harlem, New York, und seine Prinzipalin auf Tournee durch Europa. Und jedes Jahr machen sie auch Station in Köln. Sonntag erlebte ein hingerissenes Publikum die NRW-Premiere des neuen Programms "Bring it on!" im Musical Dome.

Dort verbreiten die Gospel-Königin und ihre "Babies", wie die 73-Jährige ihre Sänger und Musiker liebevoll nennt, über zwei Stunden (mit Pause) Zuversicht. Wer ihnen zuhört, fühlt sich hinterher auf wundersame Weise gestärkt, erfrischt und getröstet. Ihre Botschaft ist ebenso simpel wie machtvoll. Glaube, Liebe und Hoffnung sind deren Grundpfeiler. Wobei es nicht, wie der Zusatz "Gospel" im Namen des Chors vermuten lassen könnte, um Kirche oder Religion geht. Das, was hier vermittelt wird, ist pure Menschlichkeit, der Aufruf zu Toleranz, die Bitte einander beizustehen, sich die Hände zu reichen und zu berühren: "Reach out and touch!"

Das tatsächliche Händeschütteln mit den Gästen aus New York gestaltet sich zwar aufgrund des Orchestergrabens im Musical Dome, der ansonsten als Opernspielstätte dient, schwierig, aber das ist auch der einzige Minuspunkt, dem man diesem sonst durchweg beglückenden Abend anlasten könnte. Mit Blues ("You Are So Beautiful", das Queen Esther dem kürzlich verstorbenen Joe Cocker widmet), Soul (einem ganz wunderbaren Stevie-Wonder-Medley), Rock (John Hiatts "Have A Little Faith In Me"), Spirituals (" Something Inside Of Me") und klassischen Gospel-Songs ("Go To The Rock") stimmt die Mischung zwischen Moderne und Tradition.

Nicht nur Queen Esther Marrow verzaubert mit ihrer Stimme, die von Jahr zu Jahr stärker, inniger und bewegender zu werden scheint. Sondern auch die glutvolle Altistin Susu Bobien ("You Gotta Have Faith"), der strahlende Tenor Rodney Archer ("Tomorrow") oder der glasklare Sopran von Keesha Gumbs ("When You've Been Blessed") sorgen für Begeisterungsstürme. Archer, Bobien und Gumbs sind Chormitglieder, haben aber, ebenso wie Warren Knowles, Tehillah Smith, Avionce Hoyles und die anderen, das Zeug zu ganz hervorragenden Solisten.

Besonderen Applaus heimst der musikalische Leiter Anthony Evans ein, der bei "Stronger" unter Beweis stellt, dass er nicht nur ein virtuoser Pianist ist, sondern auch über eine erdsatte, rauchdunkle Bluesstimme verfügt. Standing Ovations gibt es für den Saxofonisten Marquis "Q" Sayles. Wenn er zu Queen Esthers "Elijah Rock" sein Instrument spielt, dann spielt er es nicht nur. Er lässt es singen.

Das Ergebnis ist ein atmosphärisch dichtes, knisterndes Duett, das sich mehr und mehr steigert, selbst dann noch, als man es kaum noch für möglich hält. Das letzte Stück des Abends steht nicht auf der Setliste. Aber ohne "Oh Happy Day" sind die Gospelsänger noch nie von der Bühne gegangen. Weil es nicht nur eine Zugabe ist, sondern die Beschreibung dessen, was sie empfinden: Dankbarkeit und Freude.

Am Freitag, 2. Januar, und am Samstag, 3. Januar, jeweils um 20 Uhr, kehren Queen Esther Marrow´s "The Harlem Gospel Singers" für zwei Konzerte zurück nach Köln. Dann aber in die Philharmonie. Dort stört auch kein Orchestergraben mehr.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort