Marianne Faithfull vor knapp 900 Zuhörern in der Düsseldorfer Mitsubishi Electric Halle Für eine bessere Welt

Düsseldorf · Unter dem Jubel von lediglich knapp 900 treuen Fans kommt Marianne Faithfull, die sich zur Sicherheit bei Bühnenhelfer Carlo untergehakt hat, auf die Bühne der extrem verkleinerten Düsseldorfer Mitsubishi Electric Halle. Das ehemalige It-Girl im London der wilden 60er Jahre wirkt physisch ziemlich angeschlagen.

 Bewegend: Marianne Faithfull im Konzert.

Bewegend: Marianne Faithfull im Konzert.

Foto: Thomas Brill

Ursache ist ein in Griechenland erlittener Unfall, bei dem sie sich mehrere noch nicht ausgeheilte Hüftfrakturen zugezogen hat. Wenn sie am Mikrofon steht, stützt sie sich auf einen Gehstock, einen Teil des rund 90-minütigen Repertoires bestreitet sie fast majestätisch in einem barocken Sessel sitzend.

Allerdings beweist ihre tiefe, rauchige und immer brüchig klingende Stimme, dass noch viel musikalisches Leben in der 67-Jährigen steckt. Es war vor 50 Jahren, als der Song "As Tears Go By" ihren ersten Erfolg markierte. Mick Jagger, mit dem sie danach eine schmerzliche, im Drogensumpf endende Liebesbeziehung durchlitt, und Keith Richards hatten ihr das Lied auf den attraktiven Leib komponiert. Mit dem folkig lebendigen "Give My Love To London", das Marianne Faithfull gemeinsam mit Steve Earle geschrieben hat, eröffnet die Wahl-Pariserin das Konzert. Neben neuen Songs, bei denen sie unter anderem mit Anna Calvi, Roger Waters oder Nick Cave zusammengearbeitet hat, feiert das Publikum natürlich insbesondere Klassiker wie "Broken English" oder "The Ballad of Lucy Jordan".

Zusammen mit filmmusikalischen Raritäten entwickelt sich eine musikalische Biografie, bei der jedes Kapitel die Spannung auf das nächste in aufregender Weise erhöht. Nach dem Ausflug in die Sechziger kommt die Phase der Sucht mit dem unter die Haut gehenden klanglichen Albtraum "Sister Morphine". Heute ist ihr die E-Zigarette als einzige Abhängigkeit geblieben. Mit "Mother Wolf", das von Rudyard Kiplings "Dschungelbuch" inspiriert wurde, wird Marianne Faithfull nochmals zur zähen Kämpferin, diesmal nicht gegen das eigene Ich, sondern für eine bessere Welt.

Einzigartig schafft sie es, mit ihrer Stimme, die mit ihrem morbiden Klang immer wieder zu kippen droht, dennoch Lebensfreude auszudrücken. Nach "Last Song" als Zugabe und frenetischem Applaus ist Carlo wieder zu Diensten, um sie sicher von der Bühne zu geleiten. Doch immer wieder dreht sich Marianne Faithfull um und winkt triumphierend mit dem Gehstock. Bewegende Momente.

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