Interview mit Simon Beckett "Die dunkle Seite zieht mich an"

KÖLN · Der britische Krimiautor Simon Beckett bestreitet am Donnerstag die erste Lesung der Lit.Cologne. Über seinen aktuellen Nr.1-Bestseller "Der Hof" (Wunderlich, 19,95 Euro) und seinen Serienhelden, den Forensiker David Hunter, sprach er mit Hartmut Wilmes.

Sie gönnen David Hunter im aktuellen Buch eine Pause, warum?
Simon Beckett: Eigentlich wollte ich nach vier Hunter-Romane gleich den fünften anschließen, merkte dann aber, dass ich mehr Zeit brauchte, wenn es kein Fließbandprodukt werden sollte. Da habe ich mich auf dieses Buch besonnen, das ich schon lange schreiben wollte.

Wo liegt denn die Keimzelle von "Der Hof", in einem bestimmten Ereignis?
Beckett: Nein, in der Grundidee, mit der das Buch beginnt: mit einem mysteriös traumatisierten Engländer, der sich auf der Flucht in einem französischen Bauernhof wiederfindet, der ihm zuerst als Zuflucht erscheint, dann aber womöglich schlimmer ist als das, wovor der Held wegläuft.

Sie erzählen hier zwei Geschichten: über das, was Sean aus England vertrieb, und dann das Drama in Frankreich. Nicht ganz einfach zu schreiben, oder?
Beckett: Doch, sobald ich mich entschlossen hatte, zwei parallele Stränge statt einer endlos langen Rückblende zu wählen, ging es leicht.

Und es bringt dem Leser doppelte Spannung...
Beckett: Das war die Absicht, ich freue mich, wenn's funktioniert.

Ich mag die Atmosphäre des verfallenen Hofs mit dem grantigen Patriarchen Arnaud. Gab es dafür eine besondere Inspiration?
Beckett: Nein, das ist alles Fantasie. Wobei ich früher mein Geld mit Hausreparaturen verdient habe und mit solchen Bruchbuden gewisse Erfahrungen habe.

Haben Sie eigentlich eine Erklärung für Ihren gerade in Deutschland so außerordentlichen Erfolg?
Beckett: Ich habe keine Ahnung. Es liegt gewiss daran, dass die Leser insbesondere David Hunter als sympathischen Charakter wahrnehmen, dafür kann ich nur dankbar sein.

Sie haben 2003 noch als Journalist die berühmte Body Farm in Tennessee besucht. Dort können Forensiker auf einem gigantischen Freigelände die Verwesung von Toten studieren, da die Menschen zu Lebzeiten dieser Körperspende zugestimmt haben. Wo stünde Simon Beckett heute ohne diesen Besuch?
Beckett: Wer weiß, vielleicht würde ich noch immer als freier Journalist arbeiten und nach Ideen für Romane suchen. Also kein Zweifel: Das war schon eine gute Reise!

Wussten Sie sofort nach Ihrer Rückkehr, dass Sie darüber ein Buch schreiben würden?
Beckett: Nein, aber die Erlebnisse dort haben mich derart beschäftigt, dass ich nach Beendigung meines Artikels wusste: Da ist mehr. Aber es hat fast ein Jahr gedauert, bis ich die Dinge im Kopf sortiert hatte.

Spüren Sie selbst eine Faszination für Tod und Verbrechen?
Beckett: Ja, als Schriftsteller werde ich von den dunklen Seiten der menschlichen Natur angezogen. Eine Romanze oder eine Komödie wären wohl nichts für mich.

Kollegen wie Ken Follett heuern Rechercheagenturen an, um die Fakten in ihren Büchern zu prüfen. Wie machen Sie das?
Beckett: Ich frage zwar Forensik-Exprten und Polizisten, die ich kenne, aber letztlich recherchiere ich selbst. Wenn es also Fehler gibt, sind es meine.

David Hunter ist kein harter Hund, sondern ein seelisch verwundeter Mann. Wie nah ist Ihnen diese Figur?
Beckett: Obwohl ich in seiner Stimme schreibe und ihn nach vier Büchern ganz gut kenne, bin ich nicht David Hunter.

Kann er Sie noch überraschen?
Beckett: Keine Romanfigur ist unter totaler Kontrolle ihres Autors, denn je mehr man über sie schreibt, umso mehr Eigenleben gewinnt sie.

Wie sehr hat der Erfolg Ihr Leben verändert?
Beckett: Nicht sehr. Ich schreibe nun Romane, anstatt freier Journalist zu sein. Sicher kann ich jetzt durch Deutschland reisen und meine Leser treffen. Aber ich bin nicht der Typ, der sich eine Jacht kauft.

Und Sie leben noch in Ihrer Geburtsstadt Sheffield...
Beckett: Ich habe anderswo gelebt und bin stets wieder zurückgekommen. Denn Sheffield hat eine schöne Umgebung, ist überschaubar und nicht abgehoben. Es gibt wahrlich schlechtere Orte zum Leben.

Zur Person

Der britische Journalist ("The Times", "The Daily Telegraph") und Autor Simon Beckett wurde durch Thriller um den Forensiker David Hunter bekannt. Seine Bücher wurden in 29 Sprachen übersetzt und haben sich über sieben Millionen Mal verkauft. Sein aktuelles Buch heißt "Der Hof" (Wunderlich, 19,95 Euro)

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