Reggae-Star Gentleman im Kölner Palladium Den Stecker rausgezogen

Manchmal ist weniger mehr. Im Fall von Tilmann Otto, besser bekannt unter seinem Künstlernamen Gentleman, ist weniger viel mehr. Im mit 4000 Fans komplett ausverkauften Palladium macht der Wahlkölner am Mittwochabend, derzeit unterwegs auf "MTV unplugged"-Tour, Station.

 Der Musiker Gentleman (Tilmann Otto) bei einem Interview im März 2013 in Berlin.

Der Musiker Gentleman (Tilmann Otto) bei einem Interview im März 2013 in Berlin.

Foto: dpa

Was bedeutet: keine elektronische Verstärkung. Mit den 18 Mitmusikern auf der Bühne ist der 39-Jährige, neudeutsch ausgedrückt, immens "gut aufgestellt". Darunter Streicher, Pianisten und Bläser, aber auch Gäste wie Martin Jondo und Tanya Stephens. Das zusammen kommt im Palladium ganz großartig. Die Halle wird zur Partyzone. Alles wogt und wiegt sich zu Rastafa-Effekten unter Stehlampen.

Als erstem Reggae-Musiker überhaupt ist Gentleman die Ehre zuteil geworden, sich in die Reihe derer einzugruppieren, die seit 1989 für MTV den Stecker rauszogen, um zu zeigen, was sie wirklich draufhaben. Ehrlicher und entlarvender geht es nicht. Wer weder das 2014 erschienene "Uplugged"-Album sein Eigen nennt, noch Anfang November des gleichen Jahres eine halbe Stunde nach Mitternacht vorm Fernseher saß, um sich die Konzertaufzeichnung aus dem Stadtgarten anzusehen, kommt voll auf seine Kosten. Der Abend wirkt auf unangestrengte Weise sehr intim, entwickelt aber zugleich eine allumfassende Atmosphäre von guter Laune.

Positiver kann Energie kaum rüberkommen. Und der von Gentleman eingangs geäußerte Satz "Dieser Abend ist etwas ganz Besonderes für mich!", ist nicht nur ein Lippenbekenntnis. Denn die 4000 tanzenden und schwelgenden Menschen im Publikum empfinden das genau so und nicht anders. Klar. Für den Kölner ist es ein Heimspiel - aber auch die können, mitunter, sehr durchwachsen geraten. Hier gibt es jedoch null Beanstandung. Sondern, stattdessen, die volle Dröhnung eines kollektiven Glücksgefühls.

Ehe es, nach mehr als zwei Stunden, mit dem Bob-Marley-Klassiker "Redemption Song" und einem Bad in der Menge zum Höhepunkt des Abends kommt, ist genügend Zeit für spontane Jam-Sessions, für gelungene Duette mit Tanya Stephens ("It's A Pitty") oder einen Gruß an Gentlemans Mama ("Send A Prayer").

Und Momente, in denen man die Andacht kaum fassen kann, die plötzlich in der quirlig-schunkelnden Halle herrscht. Etwa dann, wenn das ergreifende "Memories" erklingt und die Paare sich noch ein bisschen enger aneinander kuscheln und noch ein wenig tiefer in die Augen sehen.

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