David Garrett: So einfach ist das

KÖLN · Der deutsch-amerikanische Wundergeiger David Garrett (30) begeistert die Massen mit seinem Mix aus Klassik und Rock.

 Geiger David Garrett: „Ich definiere mich nicht über mein Aussehen, sondern über mein Talent, meinen Fleiß, meinen Ehrgeiz“.

Geiger David Garrett: „Ich definiere mich nicht über mein Aussehen, sondern über mein Talent, meinen Fleiß, meinen Ehrgeiz“.

Foto: dpa

Die aktuellen Konzerte in Köln und Düsseldorf sind offiziell „ausverkauft“. Restkarten gibt es noch für Oberhausen. Wer kein Ticket hat, wartet geduldig bis 2011. Dann setzt der Star-Geiger David Garrett seine Tournee fort, für Juni ist ein weiteres Gastspiel in der Kölner Arena geplant.

Garrett ist ein Phänomen. Der 30-jährige New Yorker aus Aachen hat mit 14 Jahren schon klassische Alben aufgenommen, von Yehudi Menuhin wurde er als „größter Violinist seiner Generation“ geadelt.

Doch da ist auch die andere Seite: Bei der Eroberung des Massenmarktes gibt Garrett gerne den Schönling, der dem Erfolg alles, aber auch wirklich alles unterzuordnen scheint. Auf seinem aktuellen Album „Rock Symphonies“ geigt er Stücke wie „Smells Like Teen Spirit“, „Walk This Way“oder „Kashmir“ und erobert mit dem Mix aus Klassik und Rock erneut die Charts.

General-Anzeiger: Auf „Rock Symphonies“ haben Sie auch Nirvanas „Smells Like Teen Spirit“ neu eingespielt. Was verbindet David Garrett, abgesehen von der Frisur, mit Kurt Cobain?

David Garrett: Absolute Leidenschaft. Bei Cobain konnte man sehen, dass er für seine Musik brannte.

GA: Alt ist er nicht geworden.

Garrett: Er war kompromisslos, hatte große Drogenprobleme. Mit Drogen hatte ich nie etwas zu tun, trotzdem fühlte ich mich damals schon tief mit ihm verbunden.

GA: Waren Sie Fan von Nirvana?

Garrett: Ja. Ich war ungefähr 13, als „Nevermind“ rauskam. Meine Eltern wollten nicht, dass ich Rockmusik höre. Ich sollte mich auf die Klassik konzentrieren. Ich konnte mich zumindest ein Stück weit mit Cobains Leid und dem Druck, den er letztlich nicht ausgehalten hat, identifizieren.

GA: Sie waren ein Wunderkind, hatten mit 14 einen Plattenvertrag...

Garrett: ... und war kurz davor, alles hinzuwerfen. Ich war überhaupt nicht frei in meinen Entscheidungen, spielte nur das, was andere mir vorgaben, bekam vorgeschrieben, was ich in Interviews sagen durfte und was nicht. Ich hatte zwar Freunde, aber ich konnte selten etwas mit ihnen unternehmen oder einfach mal Fußball spielen. Ich musste immer üben.

GA: Ich dachte, Sie hätten das Spiel an der Violine immer geliebt.

Garrett: Ich habe die Violine immer geliebt. Nur entschloss ich mich irgendwann, nach meinen eigenen Regeln zu spielen. Damit ich nicht ausbrenne.

GA: Sie zogen mit 19 ohne Wissen der Eltern nach New York, haben an der Juillard School of Music studiert. Wann genau haben Sie sich von der altehrwürdigen Klassik abgewandt und den Crossover-Garrett erfunden?

Garrett: Ich habe mich nie abgewandt, ich spiele nach wie vor auch traditionelle Sachen. Ich fand es halt nur schade, dass so wenige junge Leute in meine Konzerte kamen. Ich halte Klassik nicht für verstaubt, ich lebe mit dieser Musik, seit ich denken kann. Ich weiß: Diese Musik reißt auch junge Menschen mit, sie müssen sie nur entdecken. Also überlegte ich, was ich machen könnte, um die Jugend zu locken.

GA: Seitdem setzen Sie sich mit Ihrer Stradivari in jede erdenkliche TV-Show, knöpfen sich das Hemd auf, geben den wilden Macker und verkaufen Millionen von Tonträgern. Ist das Ihr Erfolgsrezept?

Garrett: Der Erfolg kam alles andere als schnell. Jahrelang habe ich gekämpft, um einen Fuß in die Tür zu bekommen. Das hat alles kein Kalkül, was ich mache.

GA: Natürlich ist das Kalkül.

Garrett: Aber eben nicht in dem Sinne, dass ich unehrlich wäre. Ich mache nur das, was ich machen will. Meine Musik ist authentisch, ich bin kein Fake. An mir ist alles echt.

GA: Sehen Sie sich also auf einer Mission?

Garrett: Missionar bin ich nicht, das klingt mir zu religiös. Ich möchte die manchmal steife Klassikszene aufmischen und Berührungsängste abbauen. So einfach ist das. Klassik ist keine elitäre Veranstaltung.

GA: Sondern?

Garrett: Mozart oder Beethoven waren zu ihrer Zeit Rockstars. Klassik und Rock verbinde ich ja nicht grundlos. Für mich gehören beide Genres eng zusammen.

GA: In Ihrer Plattenfirma werden Sie von der Pop-Abteilung betreut. Heißt das nicht, dass Sie jetzt endgültig als Popstar vermarktet werden?

Garrett: Das weiß ich nicht. Man hat mich nicht gefragt.

GA: Wie stehen Sie zu dem Begriff „Crossover“?

Garrett: Finde ich passend. Ich spiele an einem Abend Tschaikowsky, am nächsten trete ich bei den MTV-Awards auf. Meine Zielgruppe ist das breite Publikum. Ich will nicht 50 Jahre Geige spielen, bis ich endlich mal Gleichaltrige im Publikum sehe.

GA: Sie hätten nicht diesen Erfolg, wenn Sie klein, dick und hässlich wären, oder?

Garrett: Das behaupten Sie!

GA: Behaupte ich. Es gab Vanessa Mae, es gab die Geigerinnen von Bond. Jetzt gibt es David Garrett. Wie wichtig sind Aussehen und Image?

Garrett: Da haben Sie ja ein paar feine Vergleiche parat. In dieser Reihe sehe ich mich nicht. Crossover kannst du nur glaubhaft machen, wenn du ein sehr solides Fundament hast. Und das habe ich in der Klassik. Ich definiere mich außerdem nicht über mein Aussehen. Sondern über mein Talent, meinen Fleiß, meinen Ehrgeiz. Sie können mir glauben: Es kostet verdammt viel Arbeit, dorthin zu kommen, wo ich bin. Nur ein hübsches Gesicht würde nicht reichen. Ich hatte im letzten Jahr vielleicht drei freie Tage.

GA: Wenn man die Medien verfolgt, könnte man den Eindruck bekommen, dass Frauengeschichten einen wesentlichen Teil Ihres Lebens ausmachen. Ist dem so?

Garrett: Quatsch.

GA: Ständig liest man, Sie seien Single.

Garrett: Weil ich von jedem Journalisten gefragt werde, ob ich eine Freundin habe. Und dann sage ich halt die Wahrheit, dass ich nämlich keine feste Freundin habe.

GA: Dafür offenbar zahlreiche lockere Freundinnen. So haben Sie gesagt, Sie hätten acht Frauen am Start - jede in einer anderen Stadt. Mit Verlaub, das hat fast Kachelmann’sche Dimensionen.

Garrett: War doch nur ein Witz. Selbstverständlich habe ich nicht mit acht Frauen gleichzeitig eine Affäre. Wie sollte ich das schaffen? Nach Konzerten bin ich in der Regel so müde, dass ich schnell ins Bett gehe. Da läuft bei mir gar nichts mehr. Gut, ich habe viele sehr enge Freundinnen, mit denen werde ich natürlich andauernd fotografiert. Daraus wird dann schnell eine Geschichte, obwohl da gar nichts ist.

GA: Zuletzt sah man Sie zusammen mit Alena Gerber, der Ex von Wladimir Klitschko.

Garrett: Eine gute Freundin. Mehr nicht.

GA: Waren Sie überhaupt schon einmal richtig verliebt?

Garrett: Klar. Ich verliebe mich oft ziemlich schnell, leider hat es in den meisten Fällen nicht lange gehalten. Die Frau fürs Leben war noch nicht dabei.

GA: Sind Sie treu?

Garrett: Wenn ich es müsste und wollte, würde ich treu sein können.

GA: Was müsste die Frau fürs Leben mitbringen?

Garrett: Keine Ahnung. Ich müsste mich richtig in sie verlieben. Bedingungslos. Dann wüsste ich, dass sie die Richtige ist.

GA: Schon mal eine Frau in die Kiste gegeigt?

Garrett: (lacht): Das geht Sie nichts an.

David GarrettDavid Garrett kommt am 4. September 1980 in Aachen zur Welt. Der Vater ist ein Jurist aus Deutschland, die Mutter eine amerikanische Tänzerin. Sein bürgerlicher Name ist David Bongartz. Später nimmt er den Mädchennamen seiner Mutter an: Garrett.

Mit vier Jahren bekommt er seine erste Violine. Sein Vater, der nebenher als Geigenlehrer arbeitet, unterrichtet ihn anfangs.

Mit 14 Jahre erhält er einen Plattenvertrag bei der Deutschen Grammophon. Der Weltstar Yehudi Menuhin bezeichnet ihn als „größten Violinisten seiner Generation“.

Seine Lehrer waren Zakhar Bron, Ida Haendel, ab 2001 an der Juillard School of Music in New York Itzhak Perlman, Isaac Stern und Dorothy Delay. Nachdem er in Deutschland unter dem Druck leidet, ein Geigenwunderkind zu sein, zieht er nach seinem Schulabschluss nach New York, wo er bis heute überwiegend lebt.

Um sich die Studiengebühren zu verdienen, arbeitet David als Bibliothekar, Straßenmusiker und Model.

Das Konzept für seine Crossover-Musik aus Klassik, Pop und Rock hat er sich selbst ausgedacht, das erste Album „Virtuoso“ erscheint 2007. Es folgen „Encore“ und „Classic Romance“. Das im September 2010 veröffentlichte „Rock Symphonies“ schafft auf Anhieb den Sprung auf Platz Eins der deutschen Albumcharts, Garretts erste Nummer Eins.

David Garrett spielt auf einer Violine von Giovanni Battista Guadagnini aus dem Jahr 1772 sowie einer Violine von Antonio Stradivari von 1710.

Seit Mai 2008 ist er laut „Guinness Buch der Rekorde“ der schnellste Geiger der Welt. Beim Auftritt in einer britischen Fernsehshow spielte er den „Hummelflug“ von Rimski-Korsakow in 66,56 Sekunden. Später unterbot er diesen Rekord noch um gut eine Sekunde.

In diesem Jahr erhielt er unter anderem den Echo Klassik als „Bestseller des Jahres“ sowie die Goldene Kamera.

Auch im Kino wird David Garrett bald zu sehen sein. In der US-Produktion „Vivaldi“ spielt er Guiseppe, den Vater des Titelhelden.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Die Stunde der Sieger
Abschluss Deutscher Musikwettbewerb in Bonn Die Stunde der Sieger
Zum Thema
Aus dem Ressort