Ausstellung im Brühler Max-Ernst-Museum Besuch im Kopf von Tim Burton

Brühl · Emsige Betriebsamkeit in Brühl: Am Freitag vor einer Woche kamen 50 Transportkisten voller Kunst an, jetzt werkelt ein Dutzend Mitarbeiter im Untergeschoss des Max-Ernst-Museums an der Geburtstagsausstellung zum Zehnjährigen.

"Ein Geschenk, das wir uns und Ihnen machen", sagt Museumschef Achim Sommer, der bereits ganz tief in den Kosmos des begnadeten Filmemachers und Zeichners Tim Burton eingetaucht ist. Mit erhitzten Wangen schwärmt der sonst eher nüchterne Museumsmann von der Faszination, sich in die Welt des Schöpfers von Klassikern, Kultfilmen und Blockbustern wie "Mars Attacks" und "Frankenweenie", "Batman", "Edward mit den Scherenhänden" und "Alice im Wunderland" zu versenken. Mit den rund 500 Zeichnungen, die gerade nach und nach ausgepackt werden, hat er genug Stoff für seine Reise ins Burton-Universum. Ab kommenden Sonntag hat auch das Publikum etwas davon.

Brühl ist die einzige Deutschlandstation der sensationellen Ausstellung "The World of Tim Burton", die im New Yorker MoMA mit 810 000 Besuchern gestartet ist, dann in reduzierter Form in Prag, Osaka und Tokyo zu sehen war und im Anschluss an Brühl nach São Paulo weitergereicht wird. Es ist eine höchst komplizierte Ausstellung, bei der Tim Burtons Kuratorin Jenny He, früher Filmexpertin am MoMA, sowie Mary-Jane Shannon, seit 20 Jahren die Restauratorin von Burtons Vertrauen, auf das Team um Sommer und den Brühler Kurator Patrick Blümel treffen. Jede Sequenz der zehn Kapitel umfassenden Ausstellung wird von den Kuratoren mit einer eigens geschaffenen Software am Computer gruppiert und arrangiert. Die Datei wird an Burton geschickt. Erst nach einer Diskussion mit dem Meister und erforderlichen Korrekturen erfolgt die Freigabe. Dann erst fangen die Museumstechniker an, die aus vielen Zeichnungen bestehenden Tableaus zu hängen.

An etlichen Wänden im Museum hängen Computerausdrucke mit dem Hinweis "Unrealized", also noch nicht fertig. Auf dem Boden liegen die gerahmten Bilder. Manche Wand ist schon fertig. "Wir machen eine leichte Petersburger Hängung", erläutert Sommer das Arrangement in zwei oder drei Reihen übereinander. Warum? "Wir wollen in den Gehirnkasten Tim Burtons einsteigen", sagt er, "und seine unbotmäßige Kreativität ergründen." In der Tat ist Burton ein Zeichner, der meistens auf zwei oder drei Ebenen denkt und arbeitet.

Dass der schon damals exzentrische Burton während der Zeit als Zeichner bei Disney unter der kritischen Augen der alteingesessenen Bambi-Zeichner nicht nur Füchse rot ausmalte (den Fuchs Cap aus "Cap and Capper"), sondern auch seinen kruden, brutalen Fantasien freien Lauf ließ, erläutern Sommer und Blümel anhand von Blättern aus den 70er Jahren. "Tim war so gelangweilt, dass er neben den Zeichnungen für Disney böse Cartoons schuf", erzählt Jenny He und erläutert: "Uns geht es nicht darum, Tims Filme zu illustrieren, wir wollen, dass man erkennt, wer Tim Burton ist." Die Zeichnung begleite einzelne Filmsequenzen, sagt sie, diene als Anregung für die Kostümdesigner, aber Burton entwickelte auch mit Stift und Aquarellpinsel nach und nach seine Filmcharaktere. Das könne sich über Jahre hinziehen. Eine Figur wie Edward mit den Scherenhänden etwa taucht in Burtons Werk auf, lange bevor über einen Film nachgedacht wurde. Kleine Männchen, die unvorstellbare Gemetzel anrichten können, Vampirwesen mit insektenhaften Gliedmaßen, Killer, Maniacs und traurige Loser bevölkern neben dem bekannten Filmpersonal von Alice bis Sweeney Todd Burtons komplexen Kosmos.

Rund 10 000 Zeichnungen, eine Reihe davon auf einfachen Papierservietten oder Zeitungspapier, umfasst Burtons Werk, das geschlossen in seiner Sammlung ruht. Der Regisseur verkauft keine Kunst, gibt höchstens mal ein Stück zu einer Benefizauktion. Der Rest dokumentiert in schöner Breite, was in Burtons Kopf vor sich geht. Ein wahre Fundgrube für Ausstellungsmacher.

2013 startete Sommer seine erste Anfrage an den Superstar. Und erstaunlich bald kam die Zusage für das Projekt, und zwar, "weil wir nicht irgendein, sondern das Max- Ernst-Museum sind". Burtons Affinität zu den "Strategien des Surrealismus" und zu Max Ernst liege auf der Hand, meint Sommer.

Er nähere sich ihm gefühlsmäßig, ganz anders als Kollege David Lynch, der "sehr bewusst" das Surreale in seine Filmwelt einbaue. Lynch hatte 2009 eine wunderbare Retrospektive im Museum. Seitdem die Brühler ihre Pläne mit Burton kommunizierten, brodelt es in der Community, insbesondere auf Facebook - mehr als 1,3 Millionen Menschen "liken" Burton. Die 400 Karten für die Eröffnung am kommenden Samstag in Brühl waren in wenigen Sekunden wag, staunt Blümel. Man werde die Eröffnung auch auf Projektionsflächen vor dem Museum mitverfolgen können. Und die Schlangen für die Signierstunde mit Burton kann man sich vorstellen. Doch bis dahin ist noch viel zu tun in Brühl.

"The World of Tim Burton" im Max-Ernst-Museum Brühl, 16. August bis 3. Januar 2016.

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