Kölner Oper Bernd Mottl verlegt Donizettis "Liebestrank" in die Achtziger

KÖLN · Die Jacken glitzern, die Schulterpolster protzen, und die mit Haarspray betonierten Föhnwellen halten bombenfest: Regisseur Bernd Mottl hat eine Vorliebe für die 80er Jahre und verlegt auch Donizettis "L'Elisir d'Amore" in diese Vergangenheit, die noch gar nicht so weit weg ist, aber doch anrührend unberührt von Smartphone und Facebook.

 Fönwellen und Schulterpolster im Kölner "Liebestrank": Die 80er Jahre sind in der Oper angekommen.

Fönwellen und Schulterpolster im Kölner "Liebestrank": Die 80er Jahre sind in der Oper angekommen.

Foto: Paul Leclaire

In der Kölner Oper am Dom feiert der "Liebestrank" eine rauschende Premiere im poppig-bunten Eighties-Ambiente, das dieser Opera buffa außerordentlich gut zu Gesicht steht.

Die harmlose, glatt polierte Oberfläche der zweieinhalbstündigen Inszenierung passt zur unkomplizierten Arbeitshaltung des Komponisten: "Sie werden sehen", beschied Gaetano Donizetti nach dem Misserfolg seines "Ugo" der Mailänder Operndirektion, "dass ich genug Energie habe, Ihnen eine funkelnagelneue Oper in vierzehn Tagen zu liefern! Ich gebe Ihnen mein Wort. So, und jetzt senden Sie mir Romani her." Felice Romani kam und verfasste das "Liebestrank"-Libretto in Rekordzeit, so dass die Uraufführung am 12. Mai 1832 über die Bühne gehen konnte.

In wenigen Wochen hatten die beiden Schnellschreiber den ehrwürdigen Mythos von Tristan und Isolde flugs in ein Schelmenstück verwandelt, komplett mit Quacksalber, bramarbasierendem Weiberhelden und anderen bewährten Lustspielfiguren.

Die vom naiven Nemorino angebetete Adina ist bei Mottl keine reiche Gutsbesitzerin, sondern eine knallharte Geschäftsfrau. Sie hat eine kolossale Madonnenfigur mit verborgener Wasserleitung konstruiert, der auf Knopfdruck die Augen überfließen. Von einem Arbeiterheer mit Schutzhäubchen und grünen Kitteln - der so verkleidete Chor kontert sein zweckmäßiges Outfit mit großer Klangpracht - werden die wundertätigen Marientränen am Fließband in Flaschen gefüllt, in Kartons verpackt und gewinnbringend in alle Welt verschickt.

Nemorino ist in diesem Betrieb nur der Saubermann mit Putzwagen. Wenn dann auch noch Schlitzohr Dulcamara als Liberace-Verschnitt mit lila Maskottchen auftaucht und dem Verzweifelten einen billigen Wein als Liebeselixier andreht, bekommt die schöne bunte Werbewelt Risse: Unter der Oberfläche brodeln Aberglaube und kommerzielle Ausbeutung. Kleine Irritationen, die spätestens bei der nächsten frivolen Tanzeinlage wieder vergessen sind.

Aus dem Orchestergraben steigt graziöse Lustspielmusik empor und verbindet sich in schönster Harmonie mit dem knalligen Bühnen- und Kostümbild von Friedrich Eggert.

Am Pult des Gürzenich-Orchesters sorgt Andreas Schüller für feurige Italianità und plastische humoristische Details, scheut aber auch vor Großer Oper nicht zurück, wenn Nemorino im zweiten Akt seine Romanze "Una furtiva lagrima" anstimmt und gleich darauf der mit kapriziösen Koloraturen flirtenden Adina endlich in die Arme fällt. Anna Paliminas Adina überstrahlt die Inszenierung mit ihrem schlanken, beweglichen Sopran, und der für den erkrankten Javier Camarena eingesprungene Jeongki Cho, ein junger Tenor mit leuchtender Höhe und lyrischem Potenzial, ist alles andere als zweite Wahl.

Auch die übrigen Partien sind hervorragend besetzt: Christopher Bolduc ist als Belcore ein glaubwürdiger Casanova mit schönem Bariton, Muskeln und Leoparden-Unterhose, Marta Wryk eine verführerische Giannetta, und der große Bassist Carlo Lepore beherrscht in der Partie des Dulcamara die große Geste ebenso souverän wie das Parlando-Geplapper seines Hochzeitsständchens. Am Ende siegt die wahre Liebe über alle Eitelkeiten und Intrigen, und es gibt zu Recht großen Jubel für alle Beteiligten.

Weitere Vorstellungen: 26. bis 29. Juni, 2., 4. und 6. Juli. Karten in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen.

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