Kölner Oper Applaus für Richard Strauss' "Arabella"

KÖLN · Der Tod, das muss ein Wiener sein", stellte Georg Kreisler einmal in einem seiner Lieder fest. Das Inszenierungsduo Renaud Doucet (Regie) und André Barbe (Bühne und Kostüme) ist da mit dem Wiener Kabarettisten durchaus eines Sinnes, wenn es Richard Strauss' im Juli 1933 in Dresden uraufgeführte Oper "Arabella" auf die Bühne der Kölner Oper am Dom bringt.

 Ein letztes Tänzchen: "Arabella" Emma Bell und Wolfgang Stefan Schwaiger als Graf Dominik.

Ein letztes Tänzchen: "Arabella" Emma Bell und Wolfgang Stefan Schwaiger als Graf Dominik.

Foto: Bernd Uhlig

Der Franzose und der Franko-Kanadier lassen die Handlung, die Strauss und Hugo von Hofmannsthal in ihrer letzten Zusammenarbeit eigentlich ziemlich präzise im Jahr 1860 ansiedeln, in Wien vor dem Hintergrund des Ersten Weltkriegs spielen. Weil sie im Handeln der Figuren, in deren Fühlen und deren Sehnsüchten etwas wiederfinden, das sie im Lebensgefühl einer Zeit erkennen, die der Wiener Schriftsteller Hermann Broch als "fröhliche Apokalypse" charakterisierte.

Dass der Zustand der Welt zu Beginn der Handlung bereits ein ebenso beklagenswerter ist, wie derjenige, in dem sich Arabellas nicht zuletzt durch die Spielsucht des Vaters wirtschaftlich ruinierte Familie befindet, macht Barbes Bühne mit dem zerschellten überdimensionalen Kronleuchter an der Seite mehr als deutlich. Eine nach oben gekippte Wand lässt die Reste eines Stuckreliefs erkennen, das einmal den lothringischen Adler als Symbol kaiserlicher und königlicher Pracht zeigte. Alles steht hier im Zeichen des Übergangs, selbst die Kostüme, deren schwarze und weiße Designs oft an zerlaufene Farbe erinnern. In diesem morbiden Milieu spielt sich das Treffen der Glückssucher ab, Arabellas Familie, die durch die Verheiratung ihrer älteren Tochter wieder zu Wohlstand kommen möchte, Arabella selbst, ihre Schwester Zdenka, die als "Bub" herumläuft, weil man sich nicht in der Lage sieht, zwei Töchter standesgemäß auszuführen, und die der Älteren gern den jungen Offizier Matteo zuführen möchte - in den sie in Wahrheit freilich selbst verliebt ist. Und natürlich der stattliche Mandryka, der seine Ländereien verlassen hat, um in Wien Arabella zu freien, in deren bezaubernd schönes Bildnis er sich verliebt hat.

Die Sache mit der fröhlichen Apokalypse wird im zweiten Akt auf dem Fiaker-Ball ziemlich drastisch. Die Strauss'schen Walzer spielen gleichsam zum Tanz auf dem Vulkan auf, wenn die Hinterbühne sich in eine Schützengrabenlandschaft verwandelt, wo das Massensterben seinen Lauf nimmt. Wenn die Verehrer der Arabella, die Dominik, Lamoral und Elemer ihre Angebetete zum Tanz auffordern, tun sie es als Kriegsversehrte, der eine erblindet, der andere mit klaffender Bauchschusswunde, und statt auf seinem schönen Schlitten fährt Elemer nun im Rollstuhl vor.

Doucet und Barbe, die zuletzt in Bonn "Hoffmanns Erzählungen" inszenierten, verbannen den Humor und den Witz aus dem Stück aber keineswegs - nicht selten wird im Publikum gelacht -, doch sie geben ihm eine bittere Note. Dass dieser Balanceakt so gut funktioniert, liegt freilich zu einem sehr großen Teil an dem fantastischen Ensemble, das an diesem Premierenabend ausschließlich mit Rollendebütanten besetzt ist. Die hochartifiziell-filigrane Machart von Strauss' Musik zu der oft als kleine Schwester des "Rosenkavaliers" bezeichneten "Arabella" wird ganz wunderbar und nuancenreich in Bewegung, in Handlung und in Interaktion zwischen den Figuren umgesetzt.

Dass Doucer ein sehr musikalischer Regisseur ist, erlebt man auch in den großen Gesangsszenen, wie etwa dem Duett der Schwestern im ersten Akt oder der großen Liebesszene von Arabella und Mandryka im zweiten. Emma Bell ist eine großartige Arabella, die der Filigranarbeit, die der Strauss-Spezialist Stefan Soltesz am Pult des wunderbar agierenden Gürzenich-Orchesters vorlegt, mit Geschmeidigkeit folgt. Wobei das nuancenreiche Farbspektrum ihrer Stimme und deren große, dynamische Bandbreite ganz wunderbar eingesetzt werden. Der imposante Egils Silins verleiht dem Mandryka mit festem Bariton die nötige Männlichkeit.

Bjarni Thor Kristinsson und Dalia Schaechter nehmen als etwas tragikomisches Elternpaar für sich ein. Anna Palimina berührt mit schönem Sopran als Zdenka, ihr Matteo wird von dem Tenor Ladislav Elgr mit gesanglich gut kontrollierter Leidenschaft und Verzweiflung gegeben. Jeongki Chor, Wolfgang Stefan Schwaiger und Lucas Singer überzeugen als die drei unglücklich verliebten Grafen, und Beate Ritter singt die Jodel-Koloraturen der Fiakermilli mit virtuoser Leichtigkeit. Auch der von Andrew Ollvant zuverlässig einstudierte Chor ist hochkonzentriert.

Die von der Sopranistin Alexandra von der Weth verkörperte Kartenaufschlägerin wird im Stück zu einer Art Schicksalsgöttin, die stumm und in Schwarz gehüllt übers Schlachtfeld wandelt. Erst als am Ende mit lautem Krach Mohnblumen als Zeichen des Kriegsendes auf das Schlachtfeld klatschen, trägt sie ein weißes Kleid. Man geht bald nach Hause. "Wir gehen schlafen, jetzt passiert nichts mehr", murmeln die Gäste. Dabei steht der Zweite Weltkrieg schon vor der Tür. Viel Applaus.

Aufführungen: 28., 30. 4. sowie am 2., 5., 8. und 10. 5.; Karten in den Bonnticket-Shops der GA-Zweigstellen.

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