Portigon-Kunstverkauf Alternative zur Alternativlosigkeit

Gut möglich, dass der Stargeiger aus Duisburg, Frank Peter Zimmermann, seine "Lady Inchquin" behalten darf. Er und die 1711 in Cremona gefertigte Stradivari sind seit 2002 "ein preisgekröntes Duo", wie die Portigon AG stolz vermeldet.

 Kulturdämmerung: Die Portigon - im Bild die Zentrale der WestLB-Nachfolgerin in Düsseldorf - sieht sich mit wachsender Kritik konfrontiert.

Kulturdämmerung: Die Portigon - im Bild die Zentrale der WestLB-Nachfolgerin in Düsseldorf - sieht sich mit wachsender Kritik konfrontiert.

Foto: dpa

Die Firma besitzt das seltene Instrument, das die landeseigene WestLB einst erwarb und Zimmermann zur Verfügung stellte. Rechtsnachfolgerin Portigon möchte rund 400 Kunstwerke von Picasso und Macke bis Beuys, Fotos von Becher bis Struth und Instrumente - darunter auch ein Cello des Turiner Geigenbauers Joseph Rocca (1860), das der Hennefer Musiker Guido Schiefen von 1990 bis 2006 spielen durfte - veräußern.

Der Verkauf gilt in den Augen von Portigon und der NRW-Landesregierung als "alternativlos". Obwohl ihn in NRW eigentlich niemand wolle, wie Ministerpräsidentin Hannelore Kraft erklärte: "Niemand will Werke veräußern." Das sagte sie anlässlich ihrer Halbzeitbilanz. Man beuge sich nur dem Druck der EU-Kommission. Die fordere den Verkauf.

Das sieht die EU-Kommission in Gestalt der Wettbewerbskommissarin Margarethe Verstager ganz anders. Einem Bericht der "Rheinischen Post" zufolge sehe der "Zerschlagungsbeschluss" der Kommission zwar vor, dass der WestLB-Nachfolger Portigon Wertpapiere und Gebäude veräußern müsse, um die Abwicklungskosten für den Steuerzahler zu minimieren. Von Kunst sei in dem Beschluss nicht die Rede. Verstager sei auch nicht über die Verkaufspläne unterrichtet.

Heftige Kritik am Vorgehen der Portigon AG und der Landesregierung kommt nun von dem Bonner EU-Abgeordneten für die Region Mittelrhein, Axel Voss (CDU). "Der Verkauf wäre ein neue Tiefpunkt, es wäre der Verkauf der Identität," sagte er dem General-Anzeiger. Grundsätzlich bestehe von der EU aus die Forderung an die Portigon, erhaltene Beihilfen sobald wie möglich zurückzuzahlen. "Wie man das erfüllt, ist die Entscheidung von Portigon, beziehungsweise der Landesregierung", erklärt Voss. Die EU meine damit nicht explizit den Kunstverkauf, durchaus möglich sei hingegen die Veräußerung von Gebäuden und Grundstücken. Entgegen der Aussagen von Portigon-Chef Kai Wilhelm Franzmeyer und des NRW-Finanzministers Norbert Walter-Borjans (SPD), die den geplanten Kunst-Deal als alternativlos bewerten, sieht Voss einen Gestaltungsspielraum: "Es ist eine politische Überlegung, ob man Kunst zur Minimierung zu Hilfe nehmen soll oder nicht."

Die Einstellung der EU dazu sei neutral. Der Kunstverkauf sei das allerletzte Mittel, sagte Voss, "diesen Zwang sehe ich aber nicht". Falls doch verkauft werden müsse, plädiert der Abgeordnete dafür, den Verkauf so zu gestalten, dass deutsche Institutionen Werke kaufen könnten, sie in öffentlicher Hand und in Deutschland blieben. Auf die Frage, ob man Museen Rabatte oder Erleichterungen beim Kunstkauf einräumen solle - was Franzmeyer kategorisch abgelehnt hat - bleibt Voss etwas vage: "Kunst hat etwas Emotionales, ist etwas anderes als ein materieller Wert - da muss man über die Grenzen hinwegdenken." Abschließend: Die Kunst dürfe nicht als Opfer für frühere Fehler herhalten.

Armin Laschet, Fraktionsführer der CDU im Landtag, hat sich inzwischen positioniert. Den Verkauf der Warhol-Gemälde zugunsten der maroden landeseigenen Casino-Gruppe hatte er im Herbst noch durchgewinkt. Jetzt sagt er Stopp. Die einst von der zerschlagenen Landesbank gekauften Objekte seien zur Kunstförderung in NRW angeschafft worden, betonte Laschet beim Neujahrsempfang der NRW-CDU in Düsseldorf. Deshalb müsse sie in den Museen des Landes bleiben und dürfe nicht auf den Weltmärkten verkauft werden. Als die Verkaufspläne öffentlich wurden, hatte Laschet gesagt: "Man schiebt das jetzt auf die EU. Aber das zählt nicht. Wir müssen gegenüber der EU klar machen: Das ist kein Teil der Bank, das ist Kultur." Sogar in der NRW-Landesregierung brodelt es inzwischen. Die Rheinische Post zitiert den kulturpolitischen Sprecher der Grünen, Oliver Keymis: "Es darf nicht wahr sein, dass der finanzpolitische Schwanz mit dem landespolitischen Hund wackelt." Den Verkauf findet der Grüne "widerwärtig".

Der Chef der NRW.Bank, Klaus Neuhaus, hat indes vor negativen Folgen der Debatte um den geplanten Verkauf der Portigon-Kunstsammlung gewarnt. Die öffentliche Diskussion dürfe nicht dazu führen, dass Unternehmen künftig davor scheuten, "in Kunst zu investieren - damit wäre keinem geholfen".

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