Orchestrale Klangfülle Als wär's ein ganzes Orchester

Rolandseck · Beim Rolandseck-Festival haben sich auf spannende Weise die musikalischen Genres gemischt.

 Im Quartett: (v. l.) Sunwook Kim, Gili Schwarzman, Gergana Gergova und Alban Gerhardt.

Im Quartett: (v. l.) Sunwook Kim, Gili Schwarzman, Gergana Gergova und Alban Gerhardt.

Foto: M. Brami

Über die Motive Ludwig van Beethovens, seine zweite Sinfonie in D-Dur für Klaviertrio-Besetzung zu bearbeiten, stellte ein zeitgenössischer Kritiker ein paar Mutmaßungen an. Die Version, meinte er, richte sich an jene, "die das sehr schwierige Werk nicht vollständig hören, oder unter der Menge künstlich verflochtener Gedanken, vielleicht auch unter dem allzuhäufigen Gebrauch der schreyendsten Instrumente, es nicht genug verstehen können".

Ebenso können wir heute mutmaßen, dass die Bearbeitung desselben Werkes durch den Beethoven-Zeitgenossen Johann Nepomuk Hummel, der Beethovens Klaviertrio-Besetzung noch um eine Flöte erweiterte, einem ähnlichen Antrieb entsprang. Zu hören war sie am Donnerstagabend beim Rolandseck-Festival mit Gili Schwarzman (Flöte), Gergana Gergova (Violine), Alban Gerhardt (Violoncello) und Sunwook Kim (Klavier).

Auch wenn im CD-Zeitalter diese Gründe wegfallen und wir die Beethoven'schen Instrumente nicht mehr als "schreyend" empfinden, ist Hummels Bearbeitungen nicht ohne Reiz. Er verteilt die Orchesterstimmen mit großer Kunstfertigkeit, wobei das Klavier freilich den größten Anteil abbekommt. Aber insgesamt zelebrierten die vier Musiker das Werk in einer sehr ausgewogenen klanglichen Balance, wobei sie dennoch zupackend spielten und die Modernität dieser Sinfonie hervorhoben.

Nach einem wunderbar gespielten Andante-Satz für Horn und Klavier von Richard Strauss mit Chezi Nir und Ohad Ben-Ari folgte das Trio für Klarinette, Violoncello und Klavier von Magnus Lindberg. Der finnische Komponist hat keine Angst vor der Tonalität und ist vor allem für seine virtuosen Orchesterwerke bekannt.

Aber auch in dem von Chen Halevi (Klarinette), Zvi Plesser (Violoncello) und Ohad Ben-Ari (Klavier) gespielten Kammermusikwerk sind Klangfarben von ganz entscheidender Bedeutung, die sowohl durch extreme Lagen etwa der Klarinette oder auch durch die große Kunst des feinsten Übergangs erzielt werden. Halevi, der vor zwei Jahren schon die Uraufführung spielte, war hier ganz in seinem Element, und schien seine Mitmusiker regelrecht zu inspirieren.

Ein Meer an Klangfarben boten auch die musikalisch sehr autonom wirkenden Auszüge aus Claude Debussys Oper "Pelléas et Melisande", die von Hubert Mouton für Flöte Violoncello und Klavier bearbeitet wurden. Im Zusammenspiel von Alban Gerhardt, Gili Schwarzman und Sunwook Kim wurden die irisierenden Klänge magisch herausgearbeitet.

Zum Finale trat wieder wie jeden Abend das Rolandseck-Festival-Streichquartett in Erscheinung, dessen orchestrale Klangfülle sich in Bedrich Smetanas Quartett in e-Moll beeindruckend entfaltete. Guy Braunstein, Rosanne Philippens, Yulia Deyneka und Zvi Plesser musizierten das Werk, dem Smetana den Titel "Aus meinem Leben" gab, in seinen mitreißend folkloristischen Passagen mit enormer Spielfreude.

Der Eintritt der Katastrophe, die im Finale in Gestalt eines viergestrichenen e in der ersten Violine hereinbricht, wirkt immer wieder bestürzend: Drastisch führte Braunstein dem Hörer den quälenden Tinnitus vor Ohren, den der Komponist vor seiner Ertaubung hörte. Das Publikum im ausverkauften Festsaal des Bahnhofs zeigte sich überwältigt von so viel Ausdruck, Emotion und Leidenschaft.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Ein Porträt Venedigs am Piano
Iiro Rantala und Fiona Grond beim Jazzfest Ein Porträt Venedigs am Piano
Zum Thema
Aus dem Ressort