Schloss Monrepos hat seine Ausstellung neu konzipiert Zeitreise zu den Wurzeln des Ichs

KREIS NEUWIED · Nur ein Trick: Museumsführer Christoff Heiner präsentiert ihn. Jeweils zwei farbige Puschel hängen an den beiden Enden eines Stabes. Zieht man den roten nach oben, reagiert erst der schwarze, anschließend der grüne auf der anderen Seite. Alles scheint mit allem zusammenzuhängen. Dann teilt Christoff Heiner den Stab in der Mitte, und es existiert gar keine Verbindung zwischen den Puscheln. Es ist verwirrend. Es ist ein Rätsel. Es soll demonstrieren, was den Menschen ausmacht: Neugierde und Ehrgeiz.

 Interaktiv: Die Besucher von Schloss Monrepos schauen sich nicht nur Exponate an, sondern erfahren über Monitore sowie anhand von Experimenten viel über ihr eigenes Verhalten.

Interaktiv: Die Besucher von Schloss Monrepos schauen sich nicht nur Exponate an, sondern erfahren über Monitore sowie anhand von Experimenten viel über ihr eigenes Verhalten.

Foto: Schloss Monrepos

Die Zauberei ist eingebettet in eine Zeitreise durch die Menschheitsgeschichte, die seit vergangenem Jahr in völlig neuem Gewand in Monrepos, dem Schloss der Forscher in Neuwied, zu erleben ist.

Museumsleiterin Professorin Sabine Gaudzinski-Windheuser sagt über die neue Ausstellung "Menschliches Verstehen": "Ziel ist es, einen Eindruck von den Wurzeln der Menschheit zu vermitteln." Warum sind wir plötzlich (fast) alle "Charlie"?

Welche Verhaltensweisen aus uralten Zeiten stecken in unseren Genen?

Die Schau will solche Fragen nach den eigenen Gefühlen und Bedürfnissen in einem großen Zusammenhang beantworten; der Besucher soll einen Eindruck davon bekommen, was hinter seiner Existenz steckt, wer er selbst ist und - natürlich in verständlicher Form - woran die 30 bis 40 nationalen und internationalen Wissenschaftler im Archäologischen Forschungszentrum Neuwied arbeiten.

Die Savanne klingt, die Affen schreien im Hintergrund. Im Mittelpunkt steht zu Beginn der Ausstellung das "Naturwesen". Noch nicht Mensch, aber durchaus in der Lage, mit spuckegetränkten Ästen Termiten aus ihrer Behausung zu angeln, um sie zu verspeisen. In seinem Schädel findet nur wenig Gehirn Platz, der Natur ist es mehr oder minder schutzlos ausgeliefert.

Ein gewisses Maß an Gleichmut, diese Ohnmacht auszuhalten, wohnt auch noch dem heutigen Menschen inne.

Die Zeitreise arrangiert eben nicht bloß Funde wie Speerspitzen, Faustkeile und Schädel. Sie zeigt mit modernen Mitteln Parallelen zwischen unseren Urahnen und dem Weltreisenden des 21. Jahrhunderts auf.

Die Entwicklung vom "Naturwesen" zu den weiterentwickelten "Wunderkindern", deren Waffen effizient waren und das Jagen größerer Tiere in Gruppen ermöglichten. "Vertrauen war für sie überlebenswichtig", erzählt der Führer. Und lässt eine Münze werfen. Bei Zahl darf der Werfer das Geld behalten, bei Kopf muss er dem "Rudel" die zwei Euro zurückgeben. Im konkreten Fall gewinnt die Gruppe.

Einen Helden von damals wie "Shanidah", der im Kampf mit Tieren weit mehr als ein Dutzend Verletzungen unter anderem an Stirnbein, Oberarm und Elle erlitten hatte, fütterte die Gruppe mit durch. Ein solidarischer Akt, zu dem Menschen bis heute fähig sind.

Seit etwa 40 000 Jahren feiern sie Partys, singen, tanzen und lachen gemeinsam. Die Archäologen sehen dort den Ursprung von Junggesellenfesten, Vereinsmeierei und Konzerten. Im französischen La Marche, das zeigen Fotos von Höhlenmalereien in der Ausstellung, beschäftigten sich die Menschen mit dem Liebesspiel. Sie verewigten ihre erotischen Fantasien.

Funde im zu Neuwied gehörenden Gönnersdorf wiesen nach, dass unsere Vorfahren dort in Heißluftzelten gemeinsam schwitzten und in Ruhezelten kuschelten. Das gemeinsame Chillen - wer hätte es gedacht - ist also 1,6 Millionen Jahre alt, informiert der Spruch an einer Wand.

Noch keine Spur vom "Machtmenschen", der vor 8000 Jahren erstmals auftauchte. "Es gibt keine Anhaltspunkte, dass es vor ihm Kriege gab", sagt die Museumsleiterin.

Gravierende landschaftliche Veränderungen wie das Verschwinden der Mammutsteppe führen den Menschen zur Besiedelung und einem Schollendasein. Besitz spielt eine immer größere Rolle - Ausgangspunkt für Streitereien und kriegerische Konflikte. Der "Machtmensch", er ist bis heute geblieben.

Museum im Barockschloss aus dem 18. Jahrhundert

Mitte des 18. Jahrhunderts wählten die Fürsten zu Wied die idyllische Anhöhe zu ihrer Sommerresidenz. Das Barockschloss ist zwischen 1757 und 1762 erbaut und nach einem Brand im Jahr 1969 wieder aufgebaut worden. Seit den 80er Jahren ist dort das archäologische Forschungszentrum und Museum für menschliche Verhaltensevolution untergebracht.

Die neue Ausstellung "Menschliches Verstehen" in Neuwied ist mit Hilfe von Lernpsychologen entwickelt worden. Zu sehen ist sie dienstags bis sonntags (und an Feiertagen) von 10 bis 17 Uhr. Der Eintritt kostet für Erwachsene sechs Euro, für Kinder ab sechs Jahren vier Euro. Gruppen können Workshops besuchen; Anmeldung: Tel. 0 26 31/9 77 20.

Nach Angaben der Museumsleitung hat der Umbau 760 000 Euro gekostet, zu einem großen Teil finanziert durch eingeworbene Mittel bei der Leibniz-Gemeinschaft. 3,9 Millionen Euro sind aus dem Konjunkturpaket II in die Sanierung des barocken Schlosses geflossen. Hinzugekommen ist ein Bistro. Unter dem Namen "Heimathirsch" wird das Museumskonzept kulinarisch umgesetzt.

Monrepos ist eine Einrichtung des Römisch-Germanischen Zentralmuseums, Forschungsinstitut für Archäologie und Mitglied der Leibniz-Gemeinschaft.

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