Blattschuss im Wald Jäger verteidigt tödliche Schüsse auf Wolf

SIEBENGEBIRGE · Ein Jäger aus Bad Honnef erschießt einen Wolf im Westerwald - vermutlich den ersten seit mehr als 100 Jahren in dem Gebiet. Der Mann beharrt darauf, es sei ein Hund gewesen. Jetzt muss ein Gericht in Montabaur entscheiden.

Unter großem Medieninteresse begann am Freitag vor dem Amtsgericht Montabaur der Prozess gegen den Honnefer Jäger, der am 20. April in seinem Jagdrevier nahe Hartenfels im Westerwald einen Wolf erschossen haben soll.

Nach gut eineinhalb Stunden war der erste Verhandlungstag beendet, weil der Anwalt des 72-Jährigen infrage stellte, dass es sich bei dem getöteten Tier tatsächlich um einen Wolf handelte.

Die Hauptverhandlung wird nun am 28. Dezember fortgesetzt. Von Seiten des Gerichts wird eine umfangreiche Beweisaufnahme erforderlich sein, obwohl der Angeklagte bereitwillig ausgesagt und den dem Strafbefehl zugrundeliegenden Sachverhalt weitgehend eingeräumt hatte. Gegen den mit einer Geldstrafe von 2500 Euro verbundenen Strafbefehl hatte der Jäger Einspruch eingelegt.

Einen solchen Ansturm der Medien hatten selbst Mitarbeiter, die seit 20 Jahren beim Amtsgericht Montabaur beschäftigt sind, noch nicht erlebt. Mehrere Kamerateams und zahlreiche Journalisten wollten im Sitzungssaal 115 die öffentliche Verhandlung wegen des Verstoßes des Jägers gegen das Tierschutzgesetz und das Bundesnaturschutzgesetz miterleben. Der Wolf ist ganzjährig unter Schutz gestellt und unterliegt nicht dem Jagdrecht.

Ein erschossener Wolf im Westerwald ist dabei eine echte Rarität. Über 120 Jahre war ein solches Tier dort nicht mehr gesichtet worden. Deshalb hatte der zum Tatzeitpunkt 71-jährige Jäger, der Mitglied des Hegerings Siebengebirge ist, auch überhaupt nicht an das Raubtier mit der lateinischen Bezeichnung Canis lupus aus der Familie der Canidae (Hunde) gedacht, als ihm das Tier in einer Entfernung von rund 70 Metern vors Gewehr lief. "Für mich war das eindeutig ein Schäferhund. Von meiner Warte aus habe ich auf einen wildernden Hund geschossen", sagte er. Das Tier habe ihn echt geärgert, weil die Leute nicht auf ihre Hunde aufpassen würden.

Denn der tödliche Schuss hatte eine Vorgeschichte. Um kurz nach 21 Uhr hatte der vermeintliche Hund zwei Rehe gejagt, was der Pensionär von seinem Hochsitz aus beobachtete. Alle drei Tiere verschwanden im Dickicht. Als der angebliche Hund zehn Minuten später mit einem größeren Stück in der Schnauze zurückkehrte, war für den Jäger sonnenklar, dass das Tier mindestens eines der beiden Rehe gerissen haben musste.

"Da habe ich meine Waffe genommen, auf ihn angelegt und geschossen", so der 72-Jährige. Anstatt genau nachzuschauen, verließ der Jäger kurz darauf seinen Platz und fuhr nach Hause. "Ich bin davon ausgegangen, dass ich das Tier nicht getroffen habe", sagte er. Außerdem war es inzwischen fast dunkel und das Gelände unwegsam.

Obwohl über den Wolf im Westerwald in den lokalen Zeitungen ausführlich berichtet wurde, hatte der Honnefer davon nichts mitbekommen. "Darüber ist nie ein Wort verloren worden." Auch nicht in Gesprächen mit seinen Mitpächtern oder dem Jagdaufseher. Die Ahnungslosigkeit des Jägers und dessen verzweifelte Beteuerungen, auf einen Schäferhund angelegt zu haben, schienen Anklage und Gericht milde zu stimmen. "Sie sollen hier nicht überkriminalisiert werden", so der Staatsanwalt.

Auch Richter Sven Kaboth konnte sich vorstellen, auf eine Anklage wegen Verstoßes gegen das Bundesnaturschutzgesetz zu verzichten. Damit könnte man allen Beteiligten ein umfangreiches Beweissicherungsverfahren ersparen. Bleiben würde jedoch die Anklage wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz, weil Jäger zwar befugt seien, wildernde Hunde zu töten, Hunde jedoch nur wildern würden, wenn sie dem Wild nachstellen, Das sei hier jedoch nicht mehr der Fall gewesen.

Auf das Angebot ließ sich der Verteidiger Christian Comes aber nicht ein. Wegen des angeblichen Verstoßes gegen das Bundesnaturschutzgesetz wäre der Gerichtssaal ja schließlich so voll, merkte er an. Und er hatte sein Pulver noch nicht verschossen. Er beantragte ein unabhängiges Gutachten, um festzustellen, ob es sich wirklich um einen Wolf gehandelt habe. Das genetische Gutachten des Senckenberg-Instituts in Frankfurt zweifelte er an.

Es könne sich auch um einen Nachkommen eines Wolfes und somit um einen Hund gehandelt haben. Auch habe ein Wolf auf seinem angeblichen Weg von Italien nirgendwo Spuren hinterlassen. "Er ist aus dem Nichts im Westerwald aufgetaucht", so der Anwalt.

Alles Unsinn, meinte Markus Bathen, Projektleiter Wolf beim NABU. "Wenn Senckenberg sagt, das ist ein italienischer Wolf, dann ist das ein italienischer Wolf", sagte er. Dem Vorwurf, es würde sich nicht um echte Wölfe handeln, sehe er sich in der Lausitz ständig ausgesetzt. Auch die Behauptung, dass Wölfe Spuren hinterlassen müssten, sei falsch. "Neulich ist auch ein Wolf in der Holsteinischen Schweiz aufgetaucht, den auch niemand vorher wahrgenommen hatte."

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