Altstadt Linz Barrierefreiheit: Mangelhaft

LINZ · Rollstuhlfahrer Heinz Paffhausen begab sich auf Testfahrt durch die Stadt in Linz. Körperbehinderte wie er müssen an verschiedenen Stellen mit Hindernissen kämpfen.

 Mit Rollstuhl unüberwindbar: Die Treppe im Bahnhof.

Mit Rollstuhl unüberwindbar: Die Treppe im Bahnhof.

Foto: Frank Homann

Man stelle sich vor, man möchte mit der Bahn von Linz nach Köln – und muss erst den Umweg über Neuwied nehmen. Man stelle sich vor, man nimmt diesen Umweg in Kauf – und muss sich rechtzeitig im Vorfeld am Neuwieder Bahnhof anmelden, um überhaupt in die Bahn gen Domstadt einsteigen zu können. Man stelle sich vor, man muss einmal unvorhergesehen verreisen – und darf dann erst bis nach Koblenz fahren, um dort ohne Probleme die Bahn nehmen zu können.

Was für viele absurd und unzumutbar klingen mag, ist für Rollstuhlfahrer wie Heinz Paffhausen bittere Realität. Denn Körperbehinderte wie er schauen am Linzer Bahnhof in die Röhre: Zu den Bahnsteigen zwei und drei führt bloß eine Treppe, und die Rampe zum Bahnsteig eins taugt angesichts der ohne Hilfe unüberwindbaren Bordsteinkante nur wenig. Wer im Rollstuhl sitzt, das weiß Heinz Paffhausen aus Erfahrung, kommt hier nicht weit – Barrierefreiheit sieht anders aus.

Das möchte der Ortsverband Linz des Sozialverbands VdK Rheinland-Pfalz dringend ändern. „Wir wollen unser Engagement für Gehandicapte intensivieren“, erklärt der zweite Ortsverbandsvorsitzende Bert Gaebler. „Denn leider fehlte früher bei der Stadtplanung oft das Bewusstsein für gehandicapte Mitmenschen, Linz hat Nachholbedarf.“ Bei einem gemeinsamen Stadtrundgang mit Heinz Paffhausen machten sich die VdK-Mitglieder daher nun selbst ein Bild von der Situation in der historischen Altstadt.

Ziel sei es nicht nur, die generelle Barrierefreiheit zu verbessern, sagt Gaebler, sondern auch, einen Stadtplan von Linz für Gehbehinderte zu erstellen, auf dem unter anderem Besichtigungswege, Behindertentoiletten und leicht zugängliche Gastronomie markiert sind.

Vom Bahnhof geht es weiter in Richtung Altstadt. Auf dem Weg zur Burg direkt das nächste Ärgernis: Mal ist der Bordstein überhaupt nicht abgesenkt, mal nicht tief genug – ein allgemeines Problem auf den Linzer Straßen, zumindest bei älteren Gehsteigen. Paffhausen bleibt nichts anderes übrig, als umständlich außen am Parkplatz vorbeizufahren.

An der Burg angekommen, weist ein veralteter Stadtplan in die Irre – die darauf vermerkte Gastronomie besteht teils seit mehr als zehn Jahren nicht mehr. Solche Relikte aus grauer Vorzeit sollen durch die neuen behindertengerechten Pläne ersetzt werden, merkt Stadtbürgermeister und VdK-Ortsverbandsvorsitzender Hans Georg Faust an. Auch sei es eine Idee, am Burgplatz zwei Behindertenparkplätze einzurichten, um von dort aus die Sehenswürdigkeiten leichter erreichen zu können.

Kurz darauf geschieht in der Unterführung zur Rheinfähre beinahe ein Unfall: Die Pflastersteine sind noch feucht vom Regen, der Neigungswinkel des Gefälles liegt bei gut zehn Prozent – behindertengerecht wären maximal sechs Prozent –, und es kommt, wie es kommen muss: Beim Versuch, die aus der Unterführung herausführende Rampe zu erklimmen, verliert Paffhausen den Halt, kippt nach hinten weg, kann gerade noch aufgefangen werden. Ohne Begleitung hätte es schlimm ausgehen können. „Und nach unten, nein, das geht hier erst recht nicht“, sagt Paffhausen angesichts der steilen Rampe.

Seit 2009 sitzt er im Rollstuhl, ist davor und auch seitdem viel in der Welt herumgereist und schwärmt von den Vereinigten Staaten: „Die USA sind das Land Nummer eins für Menschen mit Behinderung, die Hilfsbereitschaft auf den Straßen ist sensationell“, meint er. „Vor jedem Geschäft kommen Mitarbeiter und fragen, ob sie einem hineinhelfen sollen.“

Vor den Läden an der Rheinstraße herrscht indes gähnende Leere, hilfsbereite Mitarbeiter sind nicht zu entdecken. Paffhausen wird stattdessen fast an jedem Geschäft von Stufen begrüßt, oft nur wenige Zentimeter hoch, aber dafür umso frustrierender. Immerhin: Die neue Behindertentoilette im Rathaus ist problemlos zu erreichen. „Immerhin etwas Erfolgreiches“, scherzt Faust. Auch das WC in der Stadthalle ist okay. Zudem sind die meisten Kreditinstitute ebenerdig befahrbar.

Für einen unbegleiteten Rollstuhlfahrer so gut wie nicht zu nutzen ist hingegen die Toilette im Linzer Parkhaus: zu schwer die Metalltüren, zu schlecht die Ausleuchtung. Ein weiteres Problem: rücksichtsloses Parken auf den ohnehin schmalen Gehsteigen – Paffhausen muss nicht selten auf die Fahrbahn ausweichen.

Wie soll es nach dem zweistündigen Rundgang weitergehen? „Die Erkenntnisse werden jetzt ausgewertet und dem Rat präsentiert“, sagt der Bürgermeister. Einen Teil, etwa die Einrichtung einer Altstadt-Fahrspur für Rollstühle und Rollatoren, werde man wohl im Rahmen der Stadtsanierung aus Bauhofmitteln umsetzen können; andererseits werde man sich auch langfristig Gedanken machen müssen über Dinge, die nicht einfach zu ändern seien, etwa die zu steilen Auffahrten der Unterführung. „Aber wenn Sie in einem Jahr wiederkommen“, verspricht Faust, „wird auf jeden Fall etwas passiert sein.“ Denn, wie er durchaus selbstkritisch anmerkt: „Eigentlich hätte da schon längst einiges passiert sein sollen.“

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