750 Jahre Sinziger Pogrom Zurück zum Namen Judengasse

SINZIG · 2017 wird die Stadt Sinzig ihre 750-Jahr-Feier begehen. Doch schon in diesem Jahr lässt sich, ebenfalls 750 Jahre zurückblickend, eines furchtbaren Judenpogroms am Ort gedenken.

 Die Kirche St. Peter und die frühere Judengasse (Gudestraße) liegen in Sinzig in unmittelbarer Nachbarschaft.

Die Kirche St. Peter und die frühere Judengasse (Gudestraße) liegen in Sinzig in unmittelbarer Nachbarschaft.

Foto: Ginzler

Eine recht große jüdische Niederlassung bestand in Sinzig bereits im Mittelalter. Erstmals erwähnt wird sie im Reichssteuerverzeichnis von 1241/42 mit den jüdischen Gemeinden in den Reichsstädten Aachen, Dortmund, Düren, Kaiserslautern, Kaiserswerth und Oberwesel.

Danach zahlten die Sinziger Juden Betrag von 25 Mark, mehr als ein Drittel der Sinziger Gesamtabgabe von 70 Mark. 1242 überstiegen Sinzigs Ausgaben die Einnahmen, wie Amtmann und Reichsgutverwalter Gerhard II. von Sinzig mit seiner Abrechnung für König Konrad IV. belegt.

Verursacht wurde das Minus durch die Kosten des Reichskrieges gegen den stauferfeindlichen Erzbischof Konrad von Hochstaden. Der erhöhte Geldbedarf des Königs schlug sich mehrfach in Steuererhöhungen für die Einwohner und Juden von Sinzig nieder. 1243 etwa befahl er, 50 Mark von den Juden einzuziehen. "Nötigenfalls möge er die Zahlung mittels Haftstrafe erzwingen", heißt es in "Sinzig und seine Stadtteile".

Laut Nürnburger Memorbuch geschah das Entsetzliche am 1./2. Mai 1265: Mehr als 60 Männer, Frauen und Kinder wurden zu Sabbath-Beginn in der Synagoge eingeschlossen und verbrannt, unter ihnen der Vorbeter der Kölner Judengemeinde. Die Predigten des aus Augsburg stammenden, in Sinzig missionierenden Abraham, der dabei ein Kruzifix zerbrach und dafür zum Tod verurteilt wurde, sollen die Christen zu der barbarischen Tat getrieben haben.

Dass die Sinziger damit dem Kölner Erzbischof Engelbert II. von Falkenburg einen Vorwand lieferten, die Stadt um 1265/1266 zu erobern, schreibt Karl-Friedrich Amendt in seiner Schrift "750 Jahre Stadt Sinzig".

Denn den ursprünglich vom König ausgeübten Judenschutz gegen Gebühren hatte Jahre zuvor König Wilhelm von Holland für den Bereich der Diözese Köln, zu der auch Sinzig gehörte, an Erzbischof Konrad von Hochstaden abgetreten. Seinen Nachfolger musste es erbosen, durch die Vernichtung der Sinziger Juden eine Geldquelle zu verlieren. Zugleich mag er die Ermordung seiner Schutzjuden als Angriff auf seine Person gedeutet haben. 1287 wurden erneut 46 Juden in Sinzig ermordet. Die Überlebenden mussten die Stadt verlassen. Damals forderte eine blutige Verfolgungswelle Opfer in 19 Mittelrhein-Orten, nachdem der Tod eines Tagelöhners namens Werner von Oberwesel den Juden angelastet wurde.

Später ließen sich in Sinzig wieder zwölf jüdische Familien nieder, bis bei der Judenverfolgung in der Pestzeit 1348/49 die Gemeinde vernichtet wurde. Im 15. Jahrhundert lebten abermals Juden in Sinzig, für das 16. und 17. Jahrhundert ist wenig überliefert, aber im 18. Jahrhundert kam es zur Bildung der neuzeitlichen Gemeinde. Nach einer längeren friedlichen Phase - 1867 wurde die Sinziger Synagoge unter großer Anteilnahme der Christen eingeweiht - machte sich ab den 1920er Jahren wieder antijüdische Stimmung breit.

Während des Nationalsozialismus ging die jüdische Einwohnerzahl stark zurück, nach dem Novemberpogrom 1938 lebten in Sinzig und Bodendorf noch 19 Juden. 1942 wurden die letzten jüdischen Einwohner deportiert. An das jüdische Leben erinnern in der Stadt nur noch Grabsteine und eine Gedenkstätte.

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