Bad Bodendorf Vor 45 Jahren drohte den Anlegern Fürchterliches

SINZIG · "In landschaftlich schönster Lage an der Ahr, abseits von Großstadtdunst und Lärm, entsteht im Kurpark von Bad Bodendorf ein weiteres Wetterstein-Zentrum mit komfortablen Senioren-Wohnungen, Kur- und Ferienhotel, Restaurants, Ladenstraße sowie einem großzügig angelegten Kur-, Regenerations- und Fitness-Center."

 Mit dieser Ansicht wurde 1968 für das Wetterstein-Zentrum in Bad Bodendorf geworben.

Mit dieser Ansicht wurde 1968 für das Wetterstein-Zentrum in Bad Bodendorf geworben.

Foto: Archiv Stadt Sinzig

So steht es in einem Prospekt geschrieben, der vor 45 Jahren die Kommunalpolitik der Ahr-Region bewegte. Immerhin drei bis vier bis zu 25 Stockwerke hohe Gebäudekomplexe wollte die Münchner Firma "Wetterstein" im kleinen Kurort Bad Bodendorf hochziehen lassen. Mit Geld von Anlegern, denen eine Gesamtrendite von 14 Prozent versprochen wurde. Wohl dem, der sich auf das Geschäft erst gar nicht eingelassen hat: 1973 ging das Unternehmen pleite, die Wolkenkratzer wurden nie gebaut.

Und hätte man sie errichtet, so würde man sich im Sinziger Stadtteil Bad Bodendorf längst Gedanken darüber gemacht haben, wie man das aus heutigem städtebaulichem Verständnis damals entstandene Bausündenensemble im Herzen des Kurparks wieder los werden kann.

Apotheker Bernhard Knorr, Vorsitzender des Heimat- und Bürgervereins Bad Bodendorf, hatte damals gerade seine Apotheke eröffnet und erinnert sich: "Es gab keinen nennenswerten Widerstand gegen das Projekt. Auch im Stadtrat nicht. Im Gegenteil. Es lag eine euphorische Stimmung über der Stadt. Es war ja so, als ob ein großer Traum in Erfüllung gehen würde." Die drohende bauliche Verschandelung der Ahr-Auen sei absolut kein Thema gewesen. In der Kommunalpolitik seien alle Weichen gestellt worden. Knorr: "Wir standen kurz vor dem ersten Spatenstich."

Dabei hörte sich damals alles so schön an. Tennisplätze, Golf- und Bocciabahnen, Thermalfreibad, Liegewiesen, ein "Sole-Mare-Wellen-Brandungsbad", Sauna, Solarium, Kneipp-Anlagen, ein "Moor-Brei-Tauchbecken" oder Gymnastiksaal sollten neben den geräumigen Wohnungen die Vorzüge des gigantischen Nobel-Altersheims sein, das das "Wetterstein-Zentrum" seinen "Dauer-, Kur- und Feriengästen" zu bieten hatte.

Zudem war man sich sicher, dass auch in Bad Bodendorf die Fest-, Konferenz- und Clubräume "genauso schnell ausgebucht sein werden", wie in den anderen Wetterstein-Projekten in München, Brühl, Augsburg, Bad Reichenhall oder Nürnberg.

Statt "schnell ausgebucht", ging es stattdessen schnell in die Pleite. Die versprochene "Spannkraft und Vitalität für Heilsuchende und Gesunde" brauchten nun vor allem die Geldanleger, die die angeblich "krisensicheren und gewinnbringenden Anwartschaftsbeträge" eingezahlt hatten, mit denen sie sich in die geplanten Wohnungen einkaufen wollten. Da hatte sich so manch einer zu früh auf die in Aussicht gestellten vierteljährlich stattfindenden Gewinnausschüttungen gefreut.

Hinter den Wetterstein-Immobilien stand damals der Münchner Baulöwe Georg Hubmann, der sich selbst gerne als "Sozialunternehmer" bezeichnete. Wer sich bei ihm als Mieter einen Platz für den Lebensabend sichern wollte, musste bei Abschluss des "Anwartschaftsvertrages" mal flott die seinerzeit stattliche Summe von 15 000 Mark als "zu erlegende Barleistung" erbringen, die beim späteren Einzug in eine "Mietkaution" umgewandelt wurde. Verzinst wurde das Geld nie.

Trotzdem schlitterte der stets auf Expansionskurs befindliche Hubmann in finanzielle Kalamitäten. Er selbst sprach 1973 von einer "relativ geringen Liquiditätslücke", einigen tausend Pensionären und Anlegern, die viele Millionen Mark in Hubmanns Wetterstein-Fonds einzahlten, drohte in Wahrheit Fürchterliches.

Nicht jedoch in Bad Bodendorf. Bevor der erste Bagger anrollte, war der "Sozialunternehmer" von der Bildfläche verschwunden.

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