Innenstadt Sinziger lehnen Einkaufsmarkt ab

SINZIG · Ein Gutachter warnt vor möglichem Kaufkraftabzug und einer Verödung der Innenstadt. Doch die Palette der Befürchtungen, die mit einer Ansiedlung eines Nahversorgungszentrums auf dem Areal des früheren Sinziger Betonwerkes Rick einhergehen könnten, ist lang.

Eine zu große Verkehrsbelästigung und Gefährdungen im angrenzenden Wohngebiet sind die meist genannten Argumente der Ansiedlungsgegner, die sich nun auf Einladung der Bürgerinitiative "Wir lieben Sinzig" zu einer "Informationsveranstaltung" trafen. Rund 130 Bürger waren gekommen.

"Suchet der Stadt Bestes. Denn wenn es der Stadt gut geht, geht es auch Euch gut", zitierte eine bibelfeste Diskutantin. Geschrieben steht dies übrigens in Jeremia 29,7. Damit wollte die Dame zum Ausdruck bringen, dass eine Ansiedlung von Edeka und Aldi auf dem Rick-Gelände keinesfalls "das Beste" für die Stadt sei. Hilfreich dürfte Jeremia jedoch auch an anderer Stelle sein: Denn er mahnt einige Bibelsätze zuvor, nicht auf falsche Propheten zu hören.

"Wir wollen das Nahversorgungszentrum verhindern und stehen für eine wohn- und umweltverträgliche Nutzung des Areals", unterstrich der Sprecher der Initiative, Andreas Geron. 3000 Unterschriften habe man bereits von Bürgern gesammelt, die allesamt gegen das Projekt seien.

Das ist auch Hans-Otto Sprengnetter, der in Sinzig eine Immobilienbewertungsfirma betreibt. Er sei zwar in Sachen Rick-Gelände durch verwandtschaftliche Beziehungen "in höchstem Maße befangen", wie er freimütig einräumte. Doch hinderte ihn das nicht an ausführlichen Bewertungen. Rund eine Stunde lang referierte er über die anzuwendenden Kriterien des Planungsrechts, über die Einschätzung der politischen Lage und über Grundstückswerte.

"Die politischen Entscheider wurden falsch informiert"
Immobilienbewerter H.-O. Sprengnetter

Dabei kam er zu zahlreichen Schlussfolgerungen: Das geplante Einkaufszentrum sei nicht in Einklang zu bringen mit Verkehrssicherheit, Kindersicherheit, dem Naturschutz, dem Gesundheitsschutz und dem Eigentumsschutz. "Das Einkaufszentrum schädigt viele Bürger und schafft Unfrieden", so Sprengnetter, der Klagen gegen Enteignungen, Lärm und gegen eine etwaige Baugenehmigung prophezeite.

"Das Eigentums- und Planungsrecht sowie die kommunalpolitische Vernunft verbieten die Etablierung eines Einkaufszentrums an dieser Stelle", sagte der Immobilienbewerter. Er sprach von einem "städtebaulichen Unsinn". Zudem werde das Projekt "verantwortungslos betrieben und durchgepeitscht". Politische Entscheidungsträger seien "falsch informiert worden". Sprengnetters schnelles Fazit: "Die Planung ist wahrscheinlich rechtswidrig."

800.000 Euro sei das Grundstück derzeit wert, bei einer Wohnbebauung würde sich der Wert auf 1,2 Millionen Euro steigern, bei einem Einkaufszentrum auf vier oder gar fünf Millionen, so die Rechnung des Sinziger Unternehmers, der der Stadt nicht nur "Rücksichtslosigkeit" bescheinigte, sondern auch bemängelte, dass alternative Nutzungen des im Privatbesitz befindlichen Areals nicht diskutiert worden seien.

Ausführlich eingegangen wurde auch auf das Szenario, das sich bei einer Ansiedlung von Edeka, Aldi und Co. auf dem Rick-Gelände für den Innenstadtkern ergeben könnte. Hierzu trug Uli Braun von "Stadt und Handel" vor, just der Unternehmung, die für den Edeka-Konkurrenten Rewe ein Auswirkungsgutachten geschrieben hat. Losgelöst davon, dass die Ansiedlungsfläche nach Brauns Darlegungen nicht mehr im zentralen Versorgungsbereich liegen würde und somit nach dem Landesentwicklungsplan für eine Ansiedlung nicht zulässig sei, gäbe es im Falle einer Realisierung des Projektes dramatische Auswirkungen auf das innerstädtische Leben.

In einer "Grobberechnung" kam Braun zu dem Schluss, dass 2,7 bis drei Millionen Euro aus der Innenstadt abgesaugt in das neue Zentrum fließen würden. Eine weitere Million Euro würde für das Zentrum aus dem weiteren Umland generiert. Soll heißen: Fast vier Millionen würden Aldi, Edeka und Drogeriemarkt Rossmann im Vergleich zu ihren bisherigen Standorten an Mehrumsätzen erzielen - zu Lasten des benachbarten Einzelhandels.

"Es sind negative städtebauliche Auswirkungen zu erwarten", erklärte Braun, der eine bemerkenswerte und sehr verbindliche Drohkulisse aufbaute: Die vorhandenen Märkte "Kaufland" und Rewe würden dann gehen und Sinzig den Rücken kehren. "Eine Standortaufgabe von Rewe ist sehr wahrscheinlich", meinte Braun wörtlich. Und das gelte auch für "Kaufland". Die Schließung eines weiteren Standortes ("Penny", gehört zur Rewe-Gruppe) sei ebenfalls möglich.

Braun: "Dann wäre eine fußläufige Nahversorgung in den südlichen Siedlungsbereichen der Stadt nicht mehr gesichert."

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