Sinziger Innenstadt Ein Schritt in die Barrierefreiheit

SINZIG · Um die Situation älterer und behinderter Menschen zu verbessern, beschreitet die Stadt Sinzig einen ungewöhnlichen Weg. Sie hat ein neutrales Gutachterbüro eingeschaltet, um Vorschläge erarbeiten zu lassen, wie die Innenstadt barrierefrei gestaltet werden kann. Und wer könnte dies in der Praxis besser beurteilen, als die Betroffenen?

 Hürden in Sinzig: Mit dem Zwillings-Kinderwagen bergauf (v.o.), zu Fuß die Stufe herab und mit dem Rollator am Engpass.

Hürden in Sinzig: Mit dem Zwillings-Kinderwagen bergauf (v.o.), zu Fuß die Stufe herab und mit dem Rollator am Engpass.

Foto: Martin Gausmann

Wenn Christina Juchem ihre Kinder Eva und Tim mit dem Zwillingswagen durch Sinzig schiebt, dann ist im Straßenverkehr so manche Hürde zu nehmen. Und wenn Frank Kurth, ein junger Mann, der auf einen elektrischen Rollstuhl angewiesen ist, die Beethoven- oder Lindenstraße der Barbarossastadt queren muss, dann gerät er schnell in Verzweiflung. "Das Verkehrsaufkommen ist hier sehr hoch. Und die Bordsteine sind es auch", erklärt der 30-Jährige sein Problem. Um überhaupt auf den sicheren Bürgersteig zu kommen, muss er einen großen Umweg bis hin zu einem Kreisel machen, von dem aus er problemlos von der einen auf die andere Straßenseite rollen kann.

Um die Situation älterer und behinderter Menschen zu verbessern, beschreitet die Stadt Sinzig einen ungewöhnlichen Weg. Sie hat ein neutrales Gutachterbüro eingeschaltet, um Vorschläge erarbeiten zu lassen, wie die Innenstadt barrierefrei gestaltet werden kann. Und wer könnte dies in der Praxis besser beurteilen, als die Betroffenen?

Christina Juchem war mit dem Zwillingswagen gekommen, eine gehbehinderte Dame gesellte sich mit ihrem Rollator dazu, eine sehbehinderte ältere Sinzigerin und E-Stuhlfahrer Frank Kurth komplettierten das Team, das die Stadt- und Regionalentwicklungsgesellschaft Neumann Consult aus Münster auf der Suche nach Tücken behilflich sein sollte.

Ein Stadtrundgang sollte Aufschluss geben. Ohne Vertreter der Stadt, wie Wirtschaftsförderin und Stadtmarketingleiterin Meike Gausmann betonte. Die gehandicapten Bürger sollten in Gegenwart von Vertretern der Caritas, des Johanniterhauses oder auch der Lebenshilfe "frei von der Leber weg" über ihre Alltagserfahrungen berichten können.

Und von dieser Möglichkeit machten sie dann auch reichlich Gebrauch. Bereits am Markt zeigten sich die ersten Probleme. Den Zwillingswagen die steile Rampe am Rathaus hoch zu schieben, war für Christina Juchem schon keine leichte Aufgabe. Nicht nur, dass es ein Kraftakt war. Auch passte der Abstand der Vorderräder nicht auf die beiden Rampenteile. Genauso schwer war es für die Rollator-Nutzerin, über die Pflastersteine des Rathausvorplatzes zu rumpeln. "Ein Asphaltstreifen", so ihr Vorschlag, "würde einiges erleichtern".

Hohe Kanten, hohe Bürgersteige, schmale Parktaschen, die ein Aus- oder Einsteigen für einen Rollstuhlfahrer fast unmöglich machen, zu kurze Grün-Phasen bei Fußgängerampeln, machen es Gehbehinderten manchmal schwer, die Straße sicher zu überqueren. Bei Marlies Resch kommt ein weiteres Handicap hinzu: Sie ist stark sehbehindert. Ihr Problem: Treppenstufen kann sie häufig nicht richtig erkennen. Farbliche Markierungen würden da schon hilfreich sein, ist sie sich sicher. Gutachter Peter Neumann, notiert es sich.

"Die Stadt Sinzig hat eine lange Tradition im Zusammenleben von behinderten und nicht behinderten Menschen. Das Lebenshilfehaus, die Caritaswerkstätten und die Seniorenheime sind Beispiele für hervorragendes Miteinander", unterstrich Maike Gausmann bei ihrer Begrüßung. Umso mehr wolle man als Stadt einen Beitrag leisten, das Leben derjenigen, die auf Hilfen angewiesen sind, zu erleichtern. Mit dem Rundgang will man eine weitere Sensibilisierung erreichen, "damit Barrierefreiheit irgendwann selbstverständlich wird".

Wie Bürgermeister Wolfgang Kroeger auf Anfrage mitteilte, sind im Haushalt für das kommende Jahr bereits Mittel vorgesehen, um Maßnahmen durchführen zu können, mit denen die Wege für ältere und behinderte Menschen durch die Stadt bequemer und ungefährlicher gestaltet werden können. Abwarten wolle man zunächst aber die Handlungsempfehlungen des Gutachterbüros.

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