Apollinarisberg in Remagen Oberammergauer Künstler Max Schauer erneuerte von 50 Jahren den ersten Kreuzweg

REMAGEN · Einige von ihnen sieht man von der B 9 aus, und wer, eingangs der Bergstraße rechts in den Leepfad biegend, der Fürstenbergstraße folgt, kann sie dahinter gar nicht verfehlen, jene 14 Kreuzwegstationen, die bis zur Apollinariskirche hochführen.

 Kreuzwegstation des Oberammergauer Künstlers.

Kreuzwegstation des Oberammergauer Künstlers.

Foto: Gausmann

Seit mehr als 30 Jahren versammeln sich Remagener Christen am Passionssonntag an der Marienkapelle "in der Lee", um gemeinsam Jesu Kreuzweg auf dem Pilgerweg nachzugehen und zu beten. Frühere Gläubige frequentierten ihn mehrfach in der Fastenzeit.

Der Weg ist weder sonderlich steil noch lang. Doch seine Steigung erinnert an die Via Dolorosa in Jerusalem, wo Jesus nach christlicher Überlieferung das Kreuz, an das er geschlagen wurde, auf sich nahm und es vom Haus des Statthalters Pontius Pilatus zum Hinrichtungshügel Golgota trug. Schon im 14. Jahrhundert leiteten die Franziskaner auf dem Leidensweg Christi in Jerusalem Prozessionen für Pilger.

Diese trugen sie in ihre Heimatländer. Denn das Kreuz und die Auferstehung sind der Kern des Christentums, da Gott in der Selbsterniedrigung bis in den Tod die Sünden der Menschheit auf sich nahm oder/und, nach jüngerer Akzentsetzung, damit seine unendliche Liebe und sein Mitgehen mit den Menschen durch den Tod hindurch aufzeigte.

Um 1600 erlebten Kreuzwege eine Ausweitung von meist sieben auf vierzehn Bildstationen, die Jesu Weg bis zur Grablegung anschaulich machten. Nachdem Papst Clemens XII. diese auf den spanischen Franziskanermönch Antonius Daza zurückgehende Form 1731 als verbindlich erklärte, entstanden an vielen Franziskanerklöstern Kreuzwege. Verständlich, dass auch die seit März 1857 auf den Apollinarisberg lebenden Franziskanerbrüder sehnlichst danach strebten, "den Aufgangsweg zum Berge in einen Stationsweg auszugestalten", wie Pater Athanasius Bierbaum, Chronist des Klosters, 1907 schrieb.

Dafür gewann man den Bildhauer Jakob Michels. Zur Weihe am 25. März 1865, "bewegte sich eine gewaltige Prozession den Berg hinan" - Auftakt für die Prozessionen, welche die Patres an den Sonntagen der Fastenzeit und am Karfreitag hielten, während die damalige Remagener Jugend sich zusätzlich mühte, "besonders in der Vorbereitungszeit zur ersten hl. Kommunion häufig und andächtig den Berg hinaufzupilgern".

Die mehrfarbigen Bildreliefs der neugotischen Stationshäuschen lehnten sich an den international meist kopierten Kreuzweg Joseph von Führichs für eine Prager Kirche an. Im Zweiten Weltkrieg wurden sie stark beschädigt, so dass Anfang der 1950er Jahre Peter Terkatz aus Bad Honnef Ersatz fertigen sollte. Aber der Landeskonservator gab der Gemälde-Restaurierung in der Kirche den Vorrang und Terkatz starb im August 1954, so Raymund Fobes im Internetauftritt des Fördervereins der Apollinariskirche. Vor 50 Jahren erhielt dann Max Schauer aus Oberammergau den Auftrag. Von Jakob Michels blieben lediglich die ursprüngliche Kreuzigungsszene mit Johannes und der Gottesmutter sowie die Lavakrotzen-Kapellen der Pieta mit dem Gekreuzigten und dem Heiligen Grab, also die Stationen 12 bis 14, erhalten.

Von Schauer stammen dagegen die weißen Stationshäuschen I bis XI mit dunklen Bronzereliefs. Man muss schon näher treten, für Kreuzweggänger ohnehin selbstverständlich, um die reduzierten kantigen Figuren und ihre expressiv gesteigerte Mimik - besonders bei den Stationen IX bis XI - zu erkennen.

Da verzieht ein Mann bei Jesu drittem Fall unter dem Kreuz sein Gesicht zu einem niederträchtigen Grienen. Kleiderräuber mit rohen, gierige Visagen umstehen den elendig bloßgestellten Verurteilten. Und feixend greift der Scherge zum Hammer, um ihn brutal ans Kreuz zu nageln.

Wer aber war Max Schauer? In der Region ist einzig die Herkunft Oberammergau überliefert. Dabei wurde sein Kreuzweg am ersten Wallfahrtssonntag 1964 eingeweiht, im selben Jahr, in dem man die 800-Jahr-Feier der Übertragung der Apollinarisreliquien beging. Keine Einzeldarstellung würdigt seine Leistung, kein Heimatjahrbuchaufsatz ist ihm gewidmet. Doch in Oberammergau, wo er am 27. Mai 1903 zur Welt kam und 1977 starb, erinnern sich Sohn und Tochter lebhaft an seine Künstlerpersönlichkeit.

"Viel Sakrales", darunter zahlreiche Kreuzwege, habe der Vater gemacht, der Architektur an der Kunstakademie München studierte und dazu eine Schreinerausbildung absolvierte, weiß Georg Schauer. Als Architekt gestaltete Max Schauer nach dem Krieg Innenräume der Gastronomie. Außerdem leitete ab 1930 den von seinem Vater Sebastian Schauer 1898 gegründeten Betrieb. "Das war ein Schnitzerladen mit Holzbildhauerei und Schnitzerwerkstatt.

Es wurde alles hergestellt, was es an Holzfiguren gibt, vom sakralen Holzschnitzwerk bis profanen Holzarbeiten". Tochter Anneliese, die dort als ausgebildete Holzschnitzerin und -malerin arbeitete, hat teilweise sogar noch die Maße der Werke ihres Vaters im Kopf. Sie unterscheidet ganz klar: "Er war ein Künstler, ich habe Handwerk gemacht". 1954 habe er noch "ganz naturalistisch" gearbeitet.

In den 1960ern kehrte sich der Stil ins Expressive. "Der Vater war impulsiv, wie seine Kreuzwege", sagt Anneliese Schauer. "Seine markanten Gesichter wurden insgeheim in der Werkstatt ?Henkergesichter? genannt." Er war immer auf der Suche nach ausdruckstarken Physiognomien. Das übertrug sich auf die Tochter, die auf der Straße immer mal wieder innehielt und dachte "das wäre ein Gesicht für den Vater".

Der Künstler

Der Oberammergauer Künstler Max Schauer (1903 bis 1977) beackerte ein weites Tätigkeitsfeld. Es erstreckte sich von der Leitung des Holzbildhauerei- und Schnitzbetriebes über eigene bildhauerische Aktivitäten und künstlerische Entwürfe bis hin zu Innenarchitektur mit Schwerpunkten den Gastronomie und Kirchen. Neben dem Remagener Kreuzweg schuf er zahlreiche weitere, so für Deggingen, wo auch sein sehenswertes Ehrenmal steht, für Augsburg und die Münchener Kirche Sankt Josef.

Für die Heilig-Geist-Kirche Iserlohn entstanden Krippenfiguren und große Heiligenfiguren. Ein riesiges Holzrelief vom Guten Hirten ging an ein Behindertenheim bei Augsburg. Von Ende der 1950-er bis 1960-er Jahre erhielt die Werkstatt viele Kreuzwegaufträge für Kirchen in Amerika. Die Bronzearbeiten nach seinen Modellen ließ Max Schauer in einer oberbayerischen Bronzewerkstatt gießen.

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