Ein Klassiker in Remagen Ein alter Baum, der Früchte trägt

REMAGEN · In der Galerie Bassi sind Mary Bauermeisters Objekte, Grafiken und Installationen zu sehen.

 Mary Bauermeister (Mitte) fasziniert die Gäste in der Galerie Bassi.

Mary Bauermeister (Mitte) fasziniert die Gäste in der Galerie Bassi.

Foto: Martin Gausmann

Sich Zeit nehmen, um einen spannenden Kosmos zu erkunden: Flirrender Glanz der Linsen-Ensembles und kletternde Stein-Anordnungen, von Schrift durchsetzte Zeichnungen, ebenso Laken in einem Lichtkasten und ein umgedrehtes Deutschland-Fahnenbild, das zuunterst Schwarz und darauf Rot und Sonnengelb lagert - so ungleichartig und vielfältig verzweigt ist das Werk von Mary Bauermeister. Arbeiten, die faszinierende 60 Jahre Schaffens- und Lebenszeit umfassen, lassen in der Galerie Rosemarie Bassi das Spektrum der Künstlerin erahnen.

Anfang der 1960er schob sie die Fluxus-Bewegung mit an, machte sie ihr Kölner Atelier zum pulsierenden Treff- und Aufführungspunkt für heute international bekannte Künstler aus Literatur, Musik und bildender Kunst, wie Nam June Paik, John Cage, Christo, Daniel Spoerri und Karlheinz Stockhausen, ihr späterer Ehemann.

In New York feierte die Innovative, "mit dem, was man in Deutschland als Handarbeit abtat", ihre Textil- und Steinkompositionen, künstlerische Erfolge. Seit Anfang der Siebziger lebt sie wieder in Deutschland, lange zurückgezogen vom Kunstmarkt, weshalb sie in der Heimat weniger bekannt ist als im europäischen Ausland und in den USA.

Rosemarie Bassi zeigte sich bei der Vernissage überwältigt: "Heute ist ein Wahnsinnstag. Ich denke zurück an 1979, ich denke an den Rolandshof". Damals stellte sie in Rolandseck als erste deutsche Galerie Bauermeister aus und danach noch zweimal. "Sie lebt die Kunst und sie lebt ihr Leben in der Kunst", zollte Bassi ihr höchstes Lob.

Die 80-jährige Künstlerin hat damit nicht aufgehört. Im Gegenteil: "Ich vergrößere mich, ich komme mir vor, wie ein alter Baum, der noch mal Früchte trägt". 40 Jahre hat sie ihr Atelierhaus und Garten in Forsbach bei Köln eingerichtet. Sie will es als Museum betreiben mit ihrem Archivar Hauke Ohls, der auch zur Eröffnung kam, als Leiter. Derweil baut sie ein neues riesiges Atelier in einem Pferdegestüt im Oberbergischen auf.

Die bemerkenswerte Remagener Präsentation "accompagnata", welche die große Retrospektive "da capo" im Mittelrhein Museum Koblenz begleitet, ist ihr Wunsch. "Denn meine Linsen-Arbeiten brauchen Tageslicht", sagt sie dem GA. Mit der Galeristin verbindet sie ohnehin die gegenseitige Bewunderung: "Diese Frau liebt die Dinge, die sie vertritt." Und sie ist angetan von Remagen, "eine kleine Stadt mit so vielen Galerien und alle helfen sich, wo gibt es denn das?"

In der Kunst vermisst Bauermeister die Auseinandersetzung mit Themen und beklagt, "heute wird ja alles ökonomisiert". Als junge Künstlerin aber habe sie erfahren: "Eine gewisse Askese tut der Kunst gut. Das Motiv darf nicht Geld sein. Geld ist Nebeneffekt einer guten Arbeit".

Die ewig Unangepasste flog von zwei Kunstschulen, weil sie immer das, "was ich an Inspiration und Intuition empfangen habe, gestalten wollte" und fühlte: "Ich habe nur eine Verpflichtung, in Kontakt mit meinem Genius zu sein. Wenn ich mich nach außen orientiere, bin ich in der Mittelmäßigkeit." In den 1960ern wollten die Künstler ausbrechen aus traditionellen Kunst- und Lebensformen. Danach gefragt, was im Leben am wichtigsten sei, antwortet die zugewandte und interessiert gebliebene Künstlerin und Mutter von vier Kindern dreier Väter, "verantwortlich sein, nicht nur für meine Taten, sondern für die Menschen." In ihrer Jugend hätten sie ästhetische Probleme umgetrieben, nun seien es gesellschaftliche Themen und "die Gestaltung einer enkeltauglichen Zukunft".

Die Ausstellung ist bis 5. Oktober zu sehen, mittwochs bis sonntags 14 bis 18 Uhr. Zum Remagener Kunstsalon gibt es am Sonntag, 13. September, Uhrzeit wird noch mitgeteilt, ein Künstlergespräch mit Mary Bauermeister in der Galerie, Marktstraße 109.

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