Remagen Ausstellung von Arie Ogen im Modern Art Showroom

REMAGEN · Stetl hießen die Siedlungen mit hohem jüdischem Bevölkerungsanteil im Siedlungsbereich der Juden in Osteuropa vor dem Zweiten Weltkrieg, die durch die Shoa fast vollständig verschwanden. Oft herrschte dort große Armut.

 "Beschädigte Friedhöfe" heißt dieses Werk von Arie Ogen.

"Beschädigte Friedhöfe" heißt dieses Werk von Arie Ogen.

Foto: Martin Gausmann

Es fehlte an Heizung, Kanalisation und befestigten Straßen, aber der Bildung der Kinder wurde ein hoher Stellenwert beigemessen, selbst wenn es fast nichts zu essen gab. Davon erzählt die Ausstellung "Das Stetl - Bilder von einer verlorenen Welt". Der Bilderzyklus von Arie Ogen ist derzeit im Modern Art Showroom (M.A.SH) in Remagen zu sehen.

Der 1917 im südpolnischen Stanislow geborene und während der Planung der Ausstellung im März vergangenen Jahres in Bonn verstorbene Künstler hat in Feder- und Rötelzeichnungen, manche in Misch-Technik mit Aquarell, Erinnerungen an "sein" Stetl in der Nähe von Lemberg festgehalten.

Es sind sorgsam gestrichelte und fein kolorierte Arbeiten und liebevoll gezeichnete Szenen, die anrühren und betroffen machen. Sie bringen dem Betrachter jüdische Traditionen und die Lebensumstände sowie vor allem auch die Menschen näher, die unter entbehrungsreichen Bedingungen lebten und arbeiteten.

Kinder mit großen Augen und vor Hunger eingefallenen Augenhöhlen sitzen vor ihren aufgeschlagenen Büchern. Schon mit drei Jahren lernten die Jungen Hebräisch, um die Gebete lesen und verstehen zu können, lernt der Besucher. Weil eine Kuh einen Stall brauchte, den sich die Bewohner des Stetl nicht leisten konnten, hielten sie Ziegen, "die Kuh des armen Juden".

Davon zeugt ein Exponat ebenso wie ein anderes von fehlenden Wasserleitungen, weshalb "Gedaly, der Wasserträger", für geringe Entlohnung die schweren Eimer von der Pumpe in die Häuser trug. Fast 40 Zeichnungen, in fünf Gruppen eingeteilt, dokumentieren Häuser, Plätze und Gassen, die Religion sowie Alltagsszenen und Typen, von denen manche schmunzeln lassen: so wie "Chabsi, der Meschuggene".

Der Zyklus schließt unter dem Titel "Beschädigte Friedhöfe": nur in Tusche gehaltene Grabsteine, die das Ende des Stetl symbolisieren, dessen Welt der Künstler mit seinem Werk spürbar machen wollte. Nicht nur Kunst-, sondern auch historisch Interessierte waren zu der gut besuchten Vernissage in Remagen gekommen.

Begrüßt wurden sie von Almuth Leib vom Modern Art Showroom (M.A.SH), der die Ausstellung in Kooperation mit dem Bonner Verein für Geschichte und Kultur der Juden der Rheinlande präsentiert. Dessen stellvertretender Vorsitzender Gottfried Herkenrath sprach zur Einführung in die Ausstellung auch über das Leben des Künstlers, der aus einer Familie jüdischer Gelehrter stamme und dem der Vater erst nach anfänglichem Zögern erlaubte, in Mailand Kunst zu studieren. Danach kehrte Ogen nach Polen zurück, wanderte später nach Israel aus, und lebte dann von 1991 bis zu seinem Tod am 20. März 2012 mit seiner Frau in Bonn.

Die Ausstellung ist geöffnet bis Sonntag, 12. Mai, im Modern Art Showroom an der Remagener Kirchstraße 25/Ecke Drususplatz jeweils samstags und sonntags von 14 bis 17 Uhr sowie auch nach Vereinbarung unter der Rufnummer 0174/2003030. Die Finissage mit Lesung beginnt m Sonntag, 12. Mai, um 15 Uhr.

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