Heimatvarieté "Saalü" Birresdorf besteht den Dorf-TÜV

BIRRESDORF · Schon früh am Abend gab es "Applaus für Klaus". Dann hieß es "Beamte fragen - Bürger antworten", und schließlich packten auch noch die Helden aus beim Gastspiel des Heimatvarietés "Saalü" im vollen Birresdorfer Dorfgemeinschaftshof.

 "Saalü" stellte vier Stunden lang Birresdorf humorvoll auf den Prüfstand.

"Saalü" stellte vier Stunden lang Birresdorf humorvoll auf den Prüfstand.

Foto: Martin Gausmann

Dabei hatten die Macher von Saalü schon vorher für genügend Gesprächsstoff gesorgt, wie der Lautstärkepegel angesichts erwartungsfroher Konversationen schon vor Beginn und erst recht der muntere Austausch in der Veranstaltungspause und nach dem Finale zu erkennen gaben: Die Dorfbewohner hatten sich einiges zu erzählen.

Schließlich war die Projektleiterin der Heimatvarieté-Aktion im Auftrag des Gemeinde- und Städtebundes Rheinland Pfalz, Martina Helffenstein, seit einem halben Jahr mehrfach durchs Dorf gezogen, hatte Fragen gestellt und in der Geschichte gestöbert. Ausgewählte Dorfbewohner hatten Beiträge einstudiert, und auch Filmaufnahmen hatten im Vorfeld neugierig gemacht.

Das Ergebnis war eine Revue über das Dorfleben im Allgemeinen und über Birresdorf im Besonderen, bei der jeder auch noch etwas lernte über "sein" Dorf: über Gestern und Heute, Alteingesessene und Immis, die Wirkung von Erdbeerfeldern und Apfelbäumen, über die verrückte Kapelle und den umschwärmtesten Junggesellen, über Jugendcafé und Seniorengesang, alte Poussierpflicht und neue Parkplätze.

Ortsvorsteher Klaus Huse unterzog sich nicht nur dem Politiker-Check, sondern ließ sich auf den Sockel stellen und machte sich seinen Reim auf den Ort in einer Liebeserklärung ans Dorf. "Wir haben schon Oberbürgermeister gehabt, die haben alles vom Blatt abgelesen, und der Klaus als einfacher Ortsvorsteher kann alles auswendig", lobte Herr Müller.

Herr Müller (alias Wolfgang Müller-Schlesinger) war als Dorfprüfer gekommen, und als korrekter Abteilungsleiter des "Ministeriums des Inneren, für Sport, Spaß und Infrastruktur" hatte er auch seinen zahlenverliebten Wissenschaftlichen Mitarbeiter Herrn Welte (Mark Welte) und die lebenslustige Dauer-Praktikantin Frau Drops (Charla Drops) mitgebracht. Ihre Mission war ernst: "Deutschland stirbt aus.

Besonders betroffen ist das deutsche Dorf. Da ist es nun unsere Aufgabe, uns jedes Dorf ganz genau anzusehen, einfach weil das Ministerium wissen will, ins welches Dorf es sich noch lohnt, Geld reinzustecken." Dass er mit dem Einwohnersterben auf dem Dorf nichts zu tun habe, obwohl er Hausschlachtungen gemacht habe, versicherte der Birresdorfer Gerd Harzem auf der Bühne.

Außerdem wusste der "tanzende Metzger" noch jenes Dokument in seinem Besitz, das seit 1989 dafür sorgt, das Birresdorfer Männer regelmäßig im Tutu trainieren und nicht abnehmen dürfen: Ein Bierdeckel, auf dem die Gründungsmitglieder des Männerballetts einst unterschrieben hatten.

Der "Dorf-TÜV" fiel dank angeblich offizieller Vergnügungserlaubnis und dank Bürgerinterviews, Slapstickeinlagen und Wettkampfdramen unterhaltsamer aus als geahnt. Im Publikum eiferten Stimmungskanonen gegen Trauerklöße. Auf der Bühne therapierte Frau Drops gegen Landdepression und kurbelte den Tourismus an. Herr Welte probte "vertrauensbildenden Maßnahmen", und Herr Müller fühlte ausgewählten Einwohnern auf den Zahn.

Heidi Rath berichtete, welche Wege nicht nach Rom sondern von Polen nach Birresdorf führen. Rudi Berzen verriet Streiche, die vielleicht glücklicherweise schon verjährt sind. "Burgbesitzer" Heinz Schäfer erzählte von der "Motte", die nicht im Kleiderschrank sondern als Fluchtburg auf seinem Grundstück zu finden ist, und Elfriede Masurek stimmte "auf Platt" eine Hymne aufs alte Birresdorf an.

Der Gemischte Chor "Eintracht" Birresdorf schlug musikalisch den Bogen vom Heimatlied zum Tote-Hosen-Song, die fidelen Möhne stöhnten: "Jeder Blick in den Spiegel tut weh. O Cellulite", und der Sportclub machte fit mit Boogie Woogie. Im Film wurde das "Jammerthema" DSL aufgegriffen, und auf der Leinwand zeigten auch die Junggesellen ihre Lösung zur Verkehrsberuhigung der Hauptstraße: Die in den 70er Jahren in den Hubertusweg versetzte Kapelle wurde einfach wieder zurück gerückt.

Jedenfalls gab es kein Zeichen von Dorfdepression in Birresdorf. Eher manifestierten sich Lachbauchschmerzen und Freudentränen. Am Ende von rund vier Stunden Programm war nicht nur der Dorf-TÜV für Birresdorf bestanden. Drei neue Einwohner hatten sich die Birresdorfer mit ihrem vollen Einsatz auch beschert. "Wir bleiben!", stellten die Dorfinspektoren fest "Es war der schönste Tag in meinem Leben", konstatierte Herr Müller und bekannte in Kennedy-Manier: "Ich bin ein Birresdorfer."

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