Bundestagswahl Gernot Reipen aus Glees tritt für die Piraten an

GLEES · "Nein zu Neo-Nazis!" und "Atomkraft, nein danke!" steht auf den leuchtend gelben Aufklebern, die auf dem Briefkasten des netten Einfamilienhäuschens im kleinen Dorf Glees haften. Daneben ein kleines Piratenemblem.

 Blättern im Wahlprogramm der Piraten: Gernot Reipen will in den Bundestag.

Blättern im Wahlprogramm der Piraten: Gernot Reipen will in den Bundestag.

Foto: FRANCKE

In der Nachbarschaft hängt die Wäsche im Vorgarten, am Horizont zeigen sich Stoppel- und Maisfelder, die Dorfkirche lugt aus der Senke, in der sich der idyllische Ort befindet. Ein Pirat als Landei? Bei Gernot Reipen ist das der Fall. Der promovierte Biologe möchte gerne in den Bundestag einziehen.

Seit 2011 wohnt der Kandidat der Piraten in dem beschaulichen Dorf. Seitdem gehört er auch der Piratenpartei an. Nicht zuletzt wegen der Finanz- und Bankenkrise. "Unser Geld ist nicht mehr sicher", befand er und investierte in die Gleeser Immobilie, um zu retten, was zu retten ist. Eines war dem 59-Jährigen aber klar: "So kann es politisch in Deutschland nicht weitergehen." Auch befürchtete der Wissenschaftler, die Unzufriedenen in der Gesellschaft könnten sich zu unheilvollen Allianzen zusammenschließen, die "etwas tun, das dann nicht mehr demokratisch ist". In der Piratenpartei sieht er da so etwas wie eine Gegenbewegung: Dort werde Demokratie pur praktiziert.

Umwelt- und Energiepolitik interessiert ihn besonders, aber auch die bislang von den Piraten eher stiefmütterlich behandelte Sozialpolitik. Wenn es um sie geht, dann ist man im Gespräch mit Gernot Reipen schnell beim "bedingungslosen Grundeinkommen" angelangt. "Jeder soll die Freiheit haben, sich so zu entwickeln, wie er es gerne möchte", so die Devise des Piraten. Es könne nicht sein, dass immer mehr Menschen an den Rand der Gesellschaft gedrückt würden. Sehr wohl sei das Modell, wonach jeder, vom Baby bis zum Greis, einen festgelegten, die Existenz sichernden Grundbetrag bekommen soll, finanzierbar. Es müsse nur eine andere Steuergerechtigkeit geben, eine andere Verteilungspolitik.

Reipen: "Es darf für bisherige Steuersünder keine Schlupflöcher mehr geben." Im Bundestag, so seine Vorstellung, solle über die Details des "bedingungslosen Grundeinkommens" diskutiert und beraten werden. Dann müsse es einen Volksentscheid darüber geben.

Der Volksentscheid. Die Basisdemokratie. Die Politik der vox populi. Als gäbe es kein Unterschichtenfernsehen, keine Bildungs- und Wissensdefizite, politische Unmündigkeit und Gleichgültigkeit: Reipen setzt auf das Wach- und Interessiertsein, auf ein hohes Maß an Bildung, auf die Bereitschaft, sich mit Engagement und Intellekt in die Gesellschaft einzubringen. "Alles funktioniert nur, wenn das Volk offen und frei ohne Zensuren informiert wird", meint der Pirat aus Glees. Dem Internet komme dabei eine besondere Bedeutung zu. Dort würden die Informationsflüsse fließen, dort gebe es den Zugriff auf all das, was zum Mündigsein führe. Reipen ist sich sicher: "Bei uns gibt es kein Geschwafel."

Und: "Das Revolutionäre ist: Wir alle sind keine Spezialisten. Jeder ist eingeladen, seine Meinung zu sagen und mitzumachen. Wir sind unabhängige Leute." Kein Zwang, keine Fraktionsdisziplin.

Man wolle die direkten und indirekten Mitbestimmungsmöglichkeiten eines jeden Einzelnen steigern. Der Bürger solle in Volksabstimmungen direkt über Gesetze entscheiden können und so Verantwortung übernehmen, heißt es im 162-seitigen Wahlprogramm, dessen Umsetzung ein Parlament und die repräsentative Demokratie eigentlich überflüssig machen würde. Das Parlament ist das Volk in seiner Gesamtheit. Sofern es einen Internetzugang hat. Denn über dieses Medium wird abgestimmt.

Der Grundgedanke, sich frei von Zwängen entfalten zu können, der bleibe. Deshalb sei die Piraten-Partei auch keine Eintagsfliege. Selbst, wenn man es am 22. September nicht in den Bundestag schaffe, werde die Partei, die noch viel mehr Demokratie wagen wolle, bleiben. Reipen: "Wir sind keine vorübergehende Erscheinung."

Kurz nachgefragt

Was lesen Sie gerade?

Reipen:Unser Wahlprogramm. Und: "Irrweg des Grundeinkommens".

Welche drei Dinge dürfen nicht in Ihrem Kühlschrank fehlen?

Reipen: Getränke und Grundnahrungsmittel.

Auf welchem Konzert waren Sie zuletzt?

Reipen: Auf einem Klezmer-Konzert in Andernach.

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