"Klezmer Tunes" feiern den 120. Geburtstag der Ahrweiler Synagoge Weltreise mit Hochzeitsmusik

AHRWEILER · Eine jüdische Gemeinde gibt es in Ahrweiler längst nicht mehr, wohl aber eine jüdische Synagoge. Deren 120-jähriges Bestehen war Anlass für ein Konzert in dem ehemaligen Gotteshaus, das der heute 115 Mitglieder zählende Bürgerverein Synagoge 1981 erwarb und bis 1990 restaurierte.

 Zum Jahrestag der Synagogen-Einweihung gab es ein Klezmer-Konzert.

Zum Jahrestag der Synagogen-Einweihung gab es ein Klezmer-Konzert.

Foto: Martin Gausmann

Seitdem ist es vor allem Stätte für kulturelle Zusammenkünfte wie das Konzert mit den drei Kölner Musikern von "The Klezmer Tunes". Das bezeichnete der Bürgervereinsvorsitzende Klaus Liewald vor vollen Stuhlreihen als "schöner Zwischenstopp zum Einhalten, Erinnern und dankbar sein für 120 Jahre, dass das Haus hier steht und 1938 nicht völlig zerstört wurde wie andere Synagogen, sondern 'nur' verwüstet wurde".

Liewald erinnerte zudem an die Einweihung des Gottesdienst- und Schulgebäudes im Jahr 1894, als zur jüdischen Gemeinde in Ahrweiler und Dernau rund 80 Mitglieder gehörten und drei Tage mit allen Konfessionen gefeiert wurde. Feierstimmung machte sich für ein paar Stunden auch ganz schnell breit beim Auftritt von Dimitri Schenker (Klarinette), Igor Mazritzky (Violine) und Mike Rauss (Gitarre) zum hohen Synagogen-Geburtstag. Ihr Können und die virtuose Beherrschung der Instrumente trat schon zutage beim rhythmisch eingängigen "Shalom aleichem" zum Auftakt. Das typische Schluchzen der Klezmermusik und ihr typisches Tirilieren sowie alle Nuancen dazwischen beherrschten die drei jungen Akteure.

Geschmeidig war ihr Spiel, voll und warm der Ton und die Interpretationen temperamentvoll und vielfach mit Witz. Dazu trugen kleine Showeinlagen bei wie ihr Auftritt zu brasilianischen Klängen mit Sonnenbrillen oder die Übernahme der Eigenart eines ukrainischen Klarinettisten, mit dem Rücken zum Publikum zu spielen. Darüber hinaus war auf einmal mitten in "Fiedel in Amerika" ein Zitat aus Glenn Millers "In the mood" und in "A Ganef", ein Ganove, die Moritat von Mackie Messer auszumachen.

Eine Weltreise mit Hochzeitsmusik, "weil die auch eine Feiermusik ist", unternahmen die Akteure mit ihren Zuhörern. Finnland, Amerika, Odessa und den Balkan besuchten sie musikalisch. Dabei traten die Klarinette des Ex-Stipendiaten der Landesstiftung Villa Musica und die Violine des früheren Konzertmeisters und ersten Geigers im Sinfonieorchester der Jungen Philharmonie Köln in reizvolle Dialoge. Für das jazzige und manchmal auch rockig angehauchte Element sorgte die Gitarre. Mal vibrierten die Töne geheimnis- und gefühlvoll, dann hüpfte die Melodie ausgesprochen heiter.

Ein bewegender Höhepunkt war schon das zweite Stück des Abends, als das Publikum mitsang zum bekannten jiddischen Volkslied "Dona, dona" vom gefesselten Kälbchen, dem die Schlachtbank droht. Doch mit züngelnden Klängen riss das Trio schnell wieder aus der traurigen Stimmung und ließ Freude überwiegen. "Bei mir bist du schön" kam in der berühmten deutsch-englischen ebenso wie in einer jeweils selbst getexteten deutschen respektive englischen Version der Musiker reihum zu Gehör.

Freilachs, also fröhliche Stücke, beschlossen das Programm, und mit noch einem Feierlied als Zugabe entließ das Trio sein Publikum: Mit "Hava nagila", erst entschleunigt, dann entfesselt, riefen "The Klezmer Tunes" musikalisch auf: "Lasst uns glücklich sein." Und die Zuhörer waren glücklich. Ihr immer wieder aufbrandender Applaus, ihr Mitgehen zu den gespielten Stücken und ihre spontanen Kommentare von "Bravo" bis "stark" bestätigten das.

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