Kur AG "Telemedizin" soll zur tragenden Säule werden

BAD NEUENAHR · Die Kur AG möchte sich neu ausrichten. In einer vierstündigen Aufsichtsratssitzung wurde am Freitag eine neue Idee des künftigen Vorsitzenden Christoph Reinicke abgesegnet. Die von ihm angeführte Kur AG wird fortan als eine tragende Säule ihres Geschäftes "Telemedizin" anbieten.

"Eine neue Idee wird zuerst belächelt, dann bekämpft, um sie sich dann zu eigen zu machen", zitierte Christoph Reinicke, künftiger Vorstand der Aktiengesellschaft Bad Neuenahr (AGBN), Arthur Schopenhauer. Seine Idee: Die von ihm angeführte Kur AG wird fortan als eine tragende Säule ihres Geschäftes "Telemedizin" anbieten. Reinicke: "Es ist das Betriebssystem des Gesundheitswesens der Zukunft."

Das Motto lautet "Doc@home". Es soll die medizinische Betreuung und Unterstützung von Patienten durch zeitgerechte Informations- und Kommunikationstechnik ortsunabhängig, zu jeder Zeit, präventiv und kurativ mit Hilfe von Telemonitoring ermöglichen. Reinicke unterstrich gestern zudem die Schließung der Ahr-Thermen zum 31. Dezember, null Uhr, falls sich bis dahin kein Pächter oder Käufer gefunden habe.

Das Unternehmen möchte sich bekanntlich neu ausrichten. In einer vierstündigen Aufsichtsratssitzung seien Reinickes Vorstellungen gestern abgesegnet worden. "Wir gehen mit großem Selbstwertgefühl, viel Potenzial und hohem Substanzwert in das neue Jahr", so Reinicke.

Viel verspreche er sich von der in anderen europäischen Ländern längst bekannten und von der EU geförderten Telemedizin, die das Prinzip der reaktiven Medizin hin zu einer umfassenden präventiven Medizin umkehre. Die AGBN wolle damit zum Pionier im deutschen Gesundheitswesen werden. Konzeptioneller Schwerpunkte sind dabei die elektronische und inhaltliche Vernetzung aller Akteure im Gesundheitsmarkt, also Patienten, Ärzte, Pflegedienste oder Krankenkassen.

Patienten und ihre Ärzte erhalten danach eine kontinuierliche Kontrolle der wichtigsten medizinischen und vitalen Messwerte. Mit Hilfe modernster Kommunikation und Informationstechnologie, beispielsweise über Smartphones, können Arzt und Patient jederzeit frühzeitig Krankheitszeichen erkennen. Beispielsweise kann ein entsprechend eingerichtetes Smartphone melden, dass es außergewöhnliche Herzbelastungen gibt oder eine Diabetesbehandlung ansteht. Der neue Vorstand der AGBN nutzt übrigens bereits die Telemedizin. Ein Blick auf Reinickes Smartphone verriet am Freitag: Blutdruck, Herz und Kreislauf waren völlig in Ordnung.

Die weitere Ausrichtung: Im Thermal-Badehaus der Kur AG will Reinicke leerstehende Flächen von Gesundheitsanbietern füllen lassen. So könnte ein Medical-Center auf 10.000 Quadratmetern entstehen, das alle Medizindisziplinen unter einem Dach vereine. "Wir werden den Kurgedanken völlig neu beleben", sagte Reinicke. In der Vergangenheit habe die Kur AG "zu viel verwaltet" und sei "zu wenig nach vorne gegangen". Das werde sich nun ändern.

Das sagen Bürgermeister und die Fraktionen zum Streit mit der Aktiengesellschaft Bad Neuenahr

Bürgermeister Guido Orthen: "Wir sind mit der Aktiengesellschaft im Gespräch. Wir haben immer gesagt, dass wir uns einen Kauf der Ahr-Thermen vorstellen können, wenn die Bedingungen stimmen. Um eine solche Entscheidung verantwortlich treffen zu können, müssen wir den baulichen und technischen Zustand gutachterlich untersuchen lassen. Ein solches Gutachten ist in Abstimmung mit der AGBN durch die Stadt in Auftrag gegeben. Erst mit Vorlage dieses Gutachtens können und werden wir über konkrete Bedingungen verhandeln können. Was bis dahin geschieht, liegt ausschließlich im Verantwortungsbereich der AGBN. Dies gilt auch für den bis hierher schon entstandenen Imageschaden, der mit der Ankündigung der Schließung entstanden ist."

Christoph Kniel (CDU): "Wenn nun plötzlich von der Aktiengesellschaft das Gegenteil von dem behauptet wird, was uns in den vergangenen zwei Jahren Aufsichtsratsvorsitzender und Vorstand erklärt haben, dann gilt es unsererseits, Flagge zu zeigen und die eingeleiteten zukunftsorientierten Entscheidungen mit Leben zu füllen. Wir setzen unseren Weg gemeinsam mit der Heilbad GmbH fort. Der AG geht es ausschließlich um die Spielbankabgabe."

Elisabeth Graff (SPD): "Wir haben in den vergangenen Jahren in den Vertretern der AGBN leider keine verlässlichen Partner gehabt. Zusagen wurden nicht oder nur mit großer zeitlicher Verzögerung eingehalten. Eine verbindliche Information über geplante Veränderungen erfolgte nicht. Mehrfach wurde uns mitgeteilt, dass man sich künftig lediglich mit den gewinnbringenden Aufgabenbereichen befassen wolle. Das seien die Immobilienverwaltung und die Villa Sibilla."

Hellmut Meinhof (FDP): "Es war eine richtige Entscheidung, dass unsere Stadt eine eigene Heilbad GmbH gegründet hat. Wir sehen darin eine gute Ausgangsbasis, um langfristig zu einem tragfähigen Konzept für das Management der für uns so wichtigen Gesundheitsbranche zu kommen."

Wolfgang Schlagwein (Grüne): "Wenn sich der Eindruck verfestigt, dass eine schon am Boden liegende AG seit Oktober auch noch von einer Heuschrecke übernommen wurde, die Unternehmen in Einzelteile filetiert, um sich aus Steuermitteln noch dieses oder jenes versilbern zu lassen, wissen wir auch trotz der langen Tradition des Unternehmens ganz unsentimental zu entscheiden. Das Heilbad hat schon viele Krisen überstanden."

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