Weihnachtsfeier im Flüchtlingsdorf in Ahrweiler "Na du?" und der Weihnachtsbaum

AHRWEILER · "Na du?" - der Dreikäsehoch sitzt auf einer Bank der alten Lkw-Garage hoch über Ahrweiler. Im Flüchtlingsdorf des Rotes Kreuzes. Die beiden Worte hat er in den vergangenen Wochen so oft gehört, dass er sie für die übliche deutsche Begrüßungsformel hält.

 Kinderaugen - da ist jedes Wort überflüssig.

Kinderaugen - da ist jedes Wort überflüssig.

Foto: Martin Gausmann

"Na du?" sitzt nicht ohne Grund am Rand der internen Weihnachtsfeier, die gestern für die 300 Flüchtlinge in der früheren Wartungshalle der Akademie für Krisenmanagement, Notfallplanung und Zivilschutz über die Bühne ging. Der kleine Mann lädt Mamas wichtigstes Utensil auf: das Handy für den Kontakt mit der Heimat. Und Steckdosen sind nun Mal an der Wand und nicht mitten im Gewusel oder am liebevoll geschmückten Weihnachtsbaum.

Letzter kann sich mit den schönsten seiner Art messen. Denn mit farbigen Wollfäden umwickelte Papierknäuel sind die Kugeln, die es auch zweidimensional aus bunter Pappe gibt. Ausgeschnitten aus Karton und beklebt. Dazu Sterne und Girlanden, die wie der ganze Schmuck in den vergangenen Tagen multinational und interkonfessionell von Kindern unter Mithilfe einer DRK-Kraft gebastelt wurden.

Diese trägt wie alle Helfer ein Rot-Kreuz-Schild mit der Kennzeichnung "AfA", was soviel bedeutet wie "Aufnahmeeinrichtung für Asylbegehrende". So heißt die seit Mitte September bestehende Erstaufnahmestelle für Flüchtlinge jetzt offiziell. Seit dem 1. November wird sie unter der Regie des DRK-Kreisverbandes Ahrweiler geführt.

An Tischen sitzen Generationen und Nationalitäten durcheinander, Väter, die ob der strahlenden Augen ihrer Kinder über ein Spielzeugauto mit Püppchen oder den kleinen Traktor samt Anhänger mit Pferd Tränen in den Augen haben. Gänsehaut aber auch für die, die beschert haben und nicht genannt werden möchten. Arabisch und auf Farsi, der Sprache Persiens, wurde die wohl kürzeste Weihnachtsansprache übersetzt: "Weihnachten ist in Deutschland ein hohes Fest, bei dem man nicht viel Worte macht."

Der, der das sagte, war Thomas Fößel, Pfarrgemeinderatsvorsitzender von Sankt Marien und Sankt Willibrord in Bad Neuenahr. Der Beifall in der Halle kam übersetzungstechnisch mit Verzögerung.

Die Kommunikation gleicht der des biblischen Babylons, aber es geht auch mit Händen und Füßen. Denn der erste Lebkuchen, der je gegessen wurde, wurde auf GA-Nachfrage von einem jungen Pärchen mit "Daumen hoch" kommentiert, die Seniorin mit dem Oliv-Teint am Nachbartisch nickt zustimmend, bietet prompt ein gefülltes Schokoherz an.

Da geht Nein-Sagen nicht, und die Gänsehaut, die sich bei den Besuchern einstellt, wirkt irgendwie ansteckend. Weihnachtsfeier ohne viele Worte, dafür mit Herzlichkeit, die in selbige nur schwer zu fassen ist. Kaffee, Kinderpunsch, Plätzchen und Mandarinen, dazu der leuchtende Weihnachtsbaum, der aus der alten Halle so etwas wie einen Stall von Bethlehem macht, nur ohne Krippchen.

Denn das kennen die Neuen nicht. Und deutsche Weihnacht höchstens aus dem Fernsehen, wenn denn ein arabischer Sender mal versehentlich in die Filmkonservendose griff.

Und plötzlich ist "Na du?" wieder auf der Matte. Mit Geschenk, das er viel zu gerne mit anderen teilen will. Denn Fußballspielen allein ist irgendwie blöd. Also wird das runde Leder gleich auf dem Hof vor der Halle ausprobiert. Da braucht der Dreikäsehoch kein Deutsch: Fußball ist einfach international.

Wie die Einladung auf den Tischen zur Weihnachtsfeier in Sankt Laurentius an Heiligabend. Aber das ist eine andere Geschichte - siehe Artikel unten.

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