Malerin aus Bad Neuenahr Innovative Technik führt Wagners Werke jetzt auch nach New York

KREISSTADT · "Glut" harrt blutrot ihrer Entfesselung, rostbraun vibriert eine "Erosion", ocker-gelb sprießt "Wachstum" und blaugrau reift "Die letzte Eiszeit" aus.

 Ein Prosit auf die Kunst: Marliese Wagners Bilderflut kommt aus dem Reagenzglas.

Ein Prosit auf die Kunst: Marliese Wagners Bilderflut kommt aus dem Reagenzglas.

Foto: Ginzler

Die mit Erdgeschichte aufgeladenen Bilder Marliese Wagners fesseln durch Farbqualitäten, Dynamik und unnachahmlich ausdifferenzierte Strukturen. Im Ahrkreis waren sie zuletzt 2005 in der Europäischen Akademie und 2010 im Museum der Kreisstadt zu sehen.

Seit 1976 stellt die Bad Neuenahrer Künstlerin und promovierte Naturwissenschaftlerin, die Chemie und Physik studierte, öffentlich aus. Dreimal beteiligte sie sich an der Rheinland-Pfälzischen Kunstmesse. Ihre Werke wurden in Koblenz, Bonn, Leverkusen, Dresden, München, Berlin und Weimar gezeigt, ebenso wie auf den internationalen Kunstbühnen.

Angetan von Wagners Einzelpräsentation in Paris, lud die Fédération Internationale Culturelle Féminine sie zum Beitritt ein. Mit der achtbaren Künstlerinnen-Vereinigung stellte die Malerin, zugleich Mitglied der Are-Gilde, des Berufsverbandes Bildender Künstler (BBK) und der Arbeitsgemeinschaft Bildender Künstler Mittelrhein (AKM), daraufhin in Bukarest, in einem Museum am Schwarzen Meer und in Istanbul aus. Nun springt ihre Malerei über den großen Teich.

Denn über die Webseite der Künstlerin aufmerksam geworden, bot ihr die Agora Gallery mitten in New York Citys Galerien-Viertel Chelsea eine Einzelpräsentation an. Wagner bescheiden: "Ich find das toll, aber eine Ausstellungsbeteiligung reicht mir." So läuft für fünf ihrer per Flieger eingetroffenen Gemälde gemeinsam mit denen anderer Künstler der Countdown, um bis 4. Februar "The Substance of Abstraction" (Das Wesen des Abstrakten) zu visualisieren.

Was macht die Kunst dieser Frau, die sieben Jahre lang privat bei Otto Vierkötter die Maltechniken von der Gotik bis zur Moderne erlernte, so reizvoll? Das optische Eintauchen in Energieflüsse, Wachstums- und Verwitterungskräfte, ins molekulare Chaos und den physikalisch-chemischen Stoffwechsel?

Denn erstaunlich genug, lässt sich die Malerin von naturwissenschaftlicher Lektüre inspirieren, dazu von Vulkanen, Wüsten und Gletschern ihrer Reisen in extreme Regionen der Erde sowie Mineralien und Fossilien, die sie 40 Jahre lang sammelt. Speziell, ja einzigartig aber gestaltet sich die Bildentstehung.

Provoziert durch Vierkötters Aussage, "es gibt nichts Neues mehr in der Malerei", experimentierte sie mit chemischen Reaktionen. Sie grundiert ihre Leinwände mit dem Pinsel. Direkt auf den Bildträger schüttet sie sodann mehrere wässrige Reaktionslösungen. Ursprünglich farblos, bilden diese beim Zusammenstoßen nach schnellen Ionenreaktionen Farbstoffpigmente heraus. Während des Prozesses bewegt Wagner die Leinwand und steuert so als kongenialer Partner des Zufalls den Farbverlauf.

Schon als kleines Kind hat die in Bad Neuenahr geborene und in Amsterdam aufgewachsene Kreative gemalt. Im Alter von vier Jahren tauschte sie ihre "Kompositionen" bei vier Malern, die im Dachgeschoss wohnten, gegen Süßigkeiten und "Schulterreiten". Wenn die Künstler die kindlichen Eingebungen in große Formate umgesetzt hatten, riefen sie: "Lise, komm nach oben und guck, was wir aus Deinen Bildern gemacht haben."

Die jüngste Beschäftigung der in Werkzyklen arbeitenden Malerin gilt dem Thema "Kreuzungen", angeregt durch die Entdeckung des Denisovamenschen in der sibirischen Altai-Region. Doch bald kann sie sich reisefertig machen. Nicht für die Schau in New York. Dort lässt sie die Bilder für sich sprechen, wohl aber im Februar für die erste Biennale d'Italia della Creatività in Verona, an der sie mit ihren Arbeiten ebenfalls teilnimmt.

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