"Villa Musica" in Ahrweiler Im Strom der Erinnerung

AHRWEILER · Die "Musik in der Synagoge" stand dieses Mal ganz im Zeichen der Pianistin und Komponistin Lera Auerbach, die ihre Stücke selbst in der Ahrweiler Synagoge präsentierte. Mit weiteren Stipendiaten der "Villa Musica" bot sie den zahlreichen Besuchern einen anregenden, teilweise aber auch anstrengenden Abend, der sich den Ausdrucksweisen zeitgenössischer Musik widmete.

 Nicht enden wollender Applaus war den Musikern in der Synagoge sicher.

Nicht enden wollender Applaus war den Musikern in der Synagoge sicher.

Foto: Martin Gausmann

Nicht nur ihr jüdischer Hintergrund lässt für Lera Auerbach die Erinnerung zu einem wichtigen Motiv ihrer musikalischen Arbeit werden. "Erinnerung ist das Einzige, was uns nach einem Leben mit den unterschiedlichsten Erfahrungen bleibt", sagte sie in englischer Sprache. Von Erinnerung war der gesamte Abend geprägt.

Es begann mit Paul Ben-Haims "Quintett für Klarinette und Streicher", welches 1941 komponiert, aber erst 1965 veröffentlicht wurde. Ben-Haim, der ursprünglich Franckenburger hieß und aus München nach Palästina emigriert war, verarbeitet darin seine Erfahrungen mit dem Zweiten Weltkrieg. Nemorino Scheliga an der Klarinette, Akihiro Takeda und Johanna Radoy an den Violinen, Hiyoli Togawa an der Viola und Konstantin Bruns am Violoncello boten eine technisch perfekte und mit virtuoser Frische ausgestattete Interpretation des Stückes, das zwischen pochender Inbrunst und pastoraler Ruhe changiert.

Das "Trio Nr. 1", das Auerbach im Alter von 20 Jahren komponiert hat, zeigt eine Komponistin in der Phase der Suche nach ihrem klanglichen Stil. Kompositorische Anklänge an die Großen der Musikgeschichte sind erkennbar, gehen aber immer wieder in einer spielerischen Wut unter, die durch Entfremdungseffekte auf Violine (Johanna Radoy) und Violoncello (Konstantin Bruns) noch verstärkt wird. Das Publikum konnte sich an dieser Stelle schon einmal auf das vorbereiten, was nach der Pause auf es zukommen würde.

Auerbach führte in die zweite Hälfte des Abends mit Robert Schumanns "Nachgelassenen Etüden aus Op. 13" für Klavier solo ein. Das Stück wurde erst posthum herausgegeben und wird von der Pianistin als eigenständiger Zyklus gespielt - eine weitere Verbeugung vor der Erinnerung auch an kleinere Randstücke dieses Komponisten.

Es folgten die "24 Präludien für Klavier solo" der Künstlerin selbst, ein 40-minütiges Mammutwerk, das dem Publikum noch zu später Stunde einiges abverlangte. Über gewisse Melodien und ein Glockenmotiv werden die Stücke zusammengehalten, dazwischen entfaltet sich jedoch eine musikalische Landschaft, die an harten Dissonanzen nicht spart.

Auflodernde Melodien, musikalische Teppiche dichter Finsternis und sogar Anklänge an Handy-Klingeltöne finden sich in diesem Strom der Erinnerung, der die mitunter abrupte Unwägbarkeit des Lebens nachzeichnen soll. Das Publikum hielt stellenweise den Atem an, besonders in den ruhigen Passagen und wenn Auerbach ihre rasante Technik anwandte. Der nicht enden wollenden Applaus war ihr sicher.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort