Biografie-Projekt in Bad Neuenahr Hochbetagte Senioren erinnern sich an prägende Ereignisse

BAD NEUENAHR · Ein geplatzter Traum und die große Liebe: Gegensätzlicher können die Gesichter des Krieges nicht sein. Er zeigt seine hässlichen Fratzen auf mannigfache Art und erstickt durch die Absage der Olympischen Spiele in Tokio 1940 die sportliche Karriere des 21-jährigen Bonner Schwimmers Heinz Prior im Keim.

 Mechthild Haase und Josef Peter (am Kopf des Tisches) sind neugierig auf die Lebens-Geschichten der Senioren.

Mechthild Haase und Josef Peter (am Kopf des Tisches) sind neugierig auf die Lebens-Geschichten der Senioren.

Foto: Martin Gausmann

Sein Einsatz in der Marine-Artillerie führt ihn nach Nord-Frankreich und 1944 dort zu seiner großen Liebe, die heute noch ein Lächeln in das Gesicht des 93-Jährigen zaubert.

Jetzt, 69 Jahre später, sind sie immer noch ein Paar, das bei der Familie in Esch lebt. "Wir waren die Vorreiter der deutsch-französischen Freundschaft", schmunzelt er über die "Geschichte meines Lebens". So heißt die von Mechthild Haase und Theologe Josef Peter geleitete vierteilige Gesprächsreihe für Menschen ab 90 Jahren im Mehrgenerationenhaus Bad Neuenahr. Nach Kindheit, Schul- und Jugendzeit riefen die betagten sechs Senioren aus der Kreisstadt und der Grafschaft, die sich aber alle noch großteils selbst versorgen, die Phasen in Erinnerung, in denen der sogenannte Ernst des Lebens begann.

Wie ernst, das kann die heutige Generation kaum nachvollziehen. Die Nazis verlangten von den jungen Mädchen ein Pflichtjahr, das sie in Haushalte weit weg von zu Hause führte. "Ich hatte so Heimweh", erinnert sich Else Klein aus Kreuzberg, die nach Düsseldorf musste und später bei den Franziskanerinnen in Oberwinter unterkam.

16-Stunden-Tage, Dienste in Küche und Kindergarten oder als Krankenpflegerin im Altenheim waren normal. Auch Lucia Müller, seit 1954 in Bad Neuenahr, absolvierte ein Haushaltsjahr im Kloster. Erst 1948, mit 27, konnte sie ihren Traumberuf bei einer Bank erlernen. Andere mussten knochenharte Feldarbeit verrichten oder in Fabriken die Männer ersetzen, die in den Krieg zogen.

"Wichtig ist, sich zu erinnern, Ereignisse mit Gefühlen zu verbinden, seine Schublädchen neu zu sortieren", so Peter zum Biografie-Projekt: "Optimal ist, wenn die Senioren ihr Leben rückblickend als sinnvoll empfinden, sie sich auch mit den Schicksalsschlägen versöhnen können. Das darüber reden können birgt die Chance, danach Gespräche eventuell auch in der Familie zu führen. Das ist der Rumpelstilzchen-Effekt: Wenn ich es beim Namen nennen kann, verliert es seinen Stachel."

Beratungs- und Koordinierungsstelle

Die "BeKo" dient der Förderung des bürgerschaftlichen Engagements im Vor- und Umfeld von Pflege im Kreis und ist vom Caritasverband Rhein-Mosel-Ahr eingerichtet. So werden Projekte aufgebaut z. B. für junge Ruheständler, um deren großes Potenzial als "Experten" im Ehrenamt zu nutzen.

Es gibt Angebote für Ältere wie Besuchsdienste mit Hunden in Heimen. Hinzu kommen Generationen übergreifende Projekte wie "Vorlesen im Kindergarten" oder Zeitzeugengespräche in Schulen.

Ansprechpartnerin: Mechthild Haase, Rufnummer 02641/759860.

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