Interview mit dem Kreisbauer- und Winzer-Chef im Ahrkreis "Es gibt eine Denunzianten-Hotline"

Franz-Josef Schäfer zu Mindestlohn, Gülle und Viehhaltung.

 Die Ernte an Zuckerrüben war 2014 sehr groß. Doch der Weltmarktpreis für Zucker ist gefallen.

Die Ernte an Zuckerrüben war 2014 sehr groß. Doch der Weltmarktpreis für Zucker ist gefallen.

Foto: Martin Gausmann

Heute ist Dreikönigstreffen, die traditionelle Generalversammlung des Kreisbauern- und Winzerverbandes. Erstmals wird sie von Franz-Josef Schäfer geleitet, der im vergangenen Jahr den Vorsitz der rund 1000 Mitglieder zählenden Organisation übernommen hat. Mit ihm sprach Günther Schmitt.

Seit März führen Sie den Kreisbauern- und Winzerverband. Eine Position, die Hans Boes drei Jahrzehnte inne hatte. Große Schuhe. Wie geht es sich darin?

Franz-Josef Schäfer: Ich bin große Schuhe gewöhnt. Ich hab' Schuhgröße 47. Hans Boes hat in den vielen Jahrzehnten seiner Arbeit für die Bauern und Winzer unseres Kreises Spuren hinterlassen und Akzente gesetzt.

Verbandsarbeit ist auch lokale Politik. Wo setzen Sie ihre Schwerpunkte?

Schäfer: Trotz aller Solidaritätsbekundungen mit der Landwirtschaft nehmen die Begehrlichkeiten auf die landwirtschaftlichen Flächen zu. Großzügige Ausweisungen von Gewerbe-, Verkehrs- und Siedlungsflächen zerstören eine über Jahrhunderte entstandene Kulturlandschaft und bedrohen viele Betriebe in ihrer Existenz. Dabei bleiben die Auswirkungen nicht nur auf die agierende Gemeinde beschränkt, sondern sie strahlen auch auf angrenzende Kommunen in Form von höherer Nachfrage nach Pacht und Erwerb landwirtschaftlicher Flächen aus. Nachhaltigkeit, ein aktuell sehr populäres Wort, ist das, was unsere Vorfahren über Generationen gelebt und praktiziert haben.

Das neue Jahr beschert auch den Bauern den Mindestlohn.

Schäfer: Der Mindestlohn stellt eine große Herausforderung für die Obst- und Weinbaubetriebe dar. Der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro pro Stunde bedeutet eine Steigerung von rund 40 Prozent bezogen auf das Lohnniveau von 2014. Es ist eher fraglich, ob diese Kosten durch höhere Produktpreise aufgefangen werden können. Am Markt regieren Angebot und Nachfrage, egal woher die Ware kommt und wie viele Arbeitsplätze gefährdet sind. Ein nahezu ebenso großes Problem stellt der erforderliche bürokratische Aufwand dar. Es muss für jede einzelne Arbeitskraft täglich der Arbeitsbeginn, Pausen, Art der Tätigkeit, Arbeitsende und vieles mehr dokumentiert werden. Und über dem Ganzen schwebt ständig das Damoklesschwert der Vor- Ort-Kontrolle durch den Zoll. Es ist ja schließlich eine Denunzianten-Hotline eingerichtet worden

In Sachen Jagd und Landwirtschaft hat es in den vergangenen Jahre des öfteren Differenzen wegen Wildverbiss und Wildschäden gegeben. Sind da Lösungen durch die neuen Hegegemeinschaften in Sicht. Sie sind ja auch Vorsteher der Jagdgenossenschaft Eckendorf als Verbund der Grundstückseigentümer.

Schäfer: Glücklicherweise sind die Wildschäden auf der Grafschaft mit überwiegend Feldjagden gering. Anders sieht es dagegen in den Höhengebieten der Eifel aus. Weit überhöhte Rotwildpopulationen richten große Schäden an im Wald und auf den landwirtschaftlichen Flächen. Waren in den 60er und 70er Jahren noch Rudelgrößen von 15 bis maximal 30 Tieren die Regel, so sind es heute bis über 100. Die Hegegemeinschaften können ein sinnvoller Ansatz sein, wenn durch eine massive Erhöhung der Abschusszahlen eine Reduktion der Rotwildbestände erfolgt.

Nicht gerade für den Wein, aber für die Landwirtschaft muss 2014 ein sehr gutes Jahr gewesen sein. Besonders bei den Zuckerrüben.

Schäfer: Was die Erntemenge angeht, haben die Zuckerrüben in 2014 sehr hohe Erträge gebracht, 85 Tonnen pro Hektar, Durchschnitt sind 70. Was aber den finanziellen Erfolg angeht, war das letzte Jahr eher durchschnittlich. Weltweit hohe Zuckerernten ließen den Weltmarktpreis fallen. Für die Milch produzierenden Betriebe war das vergangene Jahr erfreulich.

Gülle auf der Grafschaft und Gülleimporte.

Schäfer: Ein sehr emotional besetztes Thema. Manchmal könnte man den Eindruck gewinnen, die Grafschaft wäre eine Veredelungshochburg wie Vechta oder Cloppenburg. Das Gegenteil ist der Fall. Tierhaltung findet nur noch in wenigen Betrieben statt. In den meisten Bezirken gibt es keine Nutztierhaltung mehr. Zum Thema Gülleimporte kam die folgende Meldung des Umweltbundesamtes auf den Tisch: ?Überregionalen Nährstoffausgleich anstreben. Derzeit fallen in einigen Regionen mit hohen Tierkonzentrationen Güllemengen an, die lokal nicht mehr verwertet werden können. Durch den Export der Nährstoffe in Gebiete mit Wirtschaftsdüngermangel ließen sich lokale Umweltbelastungen reduzieren und gleichzeitig die Stickstoffeffizienz durch Einsparung von Mineraldünger erhöhen.?

Sie haben einen Metzger zitiert, dass alle Kühe ohne Fell gleich aussehen, ob von der Grafschafter Weide oder vom Spaltboden im Münsterland. Was muss sich ändern?

Schäfer: Der Verbraucher muss honorieren, dass art- und tiergerechte Haltung ihren Preis hat. Nicht der schnelle Griff in die Tiefkühltheke der Discounter, sondern das regional produzierte Stück Fleisch vom Metzger vor Ort kann die Lösung sein.

Zur Person

Franz-Josef Schäfer ist 55 Jahre alt, verheiratet und hat zwei Kinder. Der Agraringenieur bewirtschaftet in Eckendorf einen 95 Hektar großen Hof. Seit März 2014 ist er Vorsitzender des Kreisbauern- und Winzerverbandes Ahrweiler.

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