AKG-Jubiläum Die Stadt war schwarz vor Menschen

AHRWEILER · Wir schreiben das Jahr 1953. Der Schlager "Wir kommen alle, alle, alle in den Himmel" ist der Renner. Der Ahrweiler Karneval erlebt seinen zweiten Rosenmontagszug nach dem Krieg mit Prinz Rudi I. Fischer - nach Karl-Heinz I. Dederich die zweite Tollität, die wieder auf einem Festwagen durch die Stadt zieht. Rudolf Fischer erinnert sich an seine Prinzen-Regentschaft vor 60 Jahren und freut sich auf das AKG-Jubiläum.

 Empfang im Rathaus 1953: Prinz Rudi I. im Ornat der Ahrweiler KG. Rechts neben ihm Elferratsmitglied Willi Groß.

Empfang im Rathaus 1953: Prinz Rudi I. im Ornat der Ahrweiler KG. Rechts neben ihm Elferratsmitglied Willi Groß.

Foto: Gausmann

Sage und schreibe 600 Jecken wohnen der Proklamation mit Sitzungspräsident Jakob "Köbes" Strack im Ahrweiler Winzerverein bei und wissen nicht, dass sich hinter der Maske der 25-jährige Bankkaufmann Rudolf Fischer verbirgt. Freude und Unbeschwertheit ersetzen nach den harten Kriegsjahren Kummer und Entbehrungen.

Die Maskenbälle im Stadtgebiet sind ausverkauft: ob in den Winzervereinen, im Kolpingsaal, im Weinbau oder in den "Drei Kronen". Es wird geschwoft, was das Zeug hält. Eine Flasche Wein kostet 2,50 Mark.

Dann kommt der Höhepunkt für Rudi I. in seinem weiß-roten Ornat: der Rosenmontagszug. Er zieht durchs Niedertor ein und durchs zerbombte Ahrtor aus. Es ist kalt, aber sonnig und die Stadt schwarz vor Menschen. Sie freuen sich über Kamelle und Apfelsinen, die ihnen Prinz Rudi mit seinem Adju Peter Palm aus seinem Prinzenwagen zuwirft.

Ihm zur Seite stehen dort oben seine Schwester mit Freundinnen und die Damen der Prinzengarde. Mit dem Fischessen in der Bunten Kuh an Aschermittwoch endet die Regentschaft. Und auch den Prinzenorden mit dem Ahrweiler Stadtwappen muss er wieder abgeben.

Den wird 1954 sein Nachfolger, "de Jiese Häns", tragen. Doch die Session hat Fischer in den Augen von Bürgermeister Christian Ulrich so bravourös gemeistert, dass er für den Mann eine Überraschung parat hält: Trotz horrender Wohnungsnot bekommt der verheiratete Vater einer einjährigen Tochter, der in einer winzigen Wohnung mit Kohlenofen lebt, eine größere Wohnung zugeteilt.

Heute, 60 Jahre später, blitzen die "Äugelchen" von Rudi Fischer immer noch. Der 85-Jährige ist hellwach und berichtet von seiner Prinzenzeit, als sei sie gestern gewesen. Natürlich bereitet es ihm als älteste lebende Tollität einen Heidenspaß, im Jahr des 150-jährigen Bestehens der Ahrweiler KG, das nächste Woche groß gefeiert wird, in die Erinnerungskiste zu greifen nach dem Motto "Als der Ahrweiler Karneval nach dem Krieg wieder laufen lernte".

"Der Kohlhaase Schang war KG-Vorsitzender und Freund meines Vaters Walter, der 1939 das Ausflugslokal Bunte Kuh gekauft hatte. Obwohl er Kölner war, lehnte es mein Vater ab, Prinz zu werden. Doch als sie dann mich ins Visier nahmen, war er gerne bereit, die Session zu finanzieren. Ich hätte das als kleiner Bankkaufmann bei der Ahrtalbank nicht stemmen können." Gesagt, getan, und so ließ man in der Schreinerei von Toni Berg für 4000 Mark den Prinzenwagen bauen. Er sollte viele Jahre seinen Dienst tun.

Mit dem jecken Virus infiziert hatten den "Walbezze Jong" eher die Schwiegermutter, die Obermöhn war und seine Frau als Tanzmariechen. Nach einer kurzen Diskussion mit seinem Chef, Bankdirektor Josef Bender, und den Worten "Urlaub gibt es nicht", bekam Fischer dann doch grünes Licht von seinem Arbeitgeber.

Dann kam der Proklamationsabend im Januar 1953: "Ich war nach der ersten Büttenrede dran und so aufgeregt, dass ich nur ein paar Worte hingestottert habe." Auch das sollte sich später ändern, denn Fischer wurde als Elferratsmitglied Protokollarius, stand bis 1959 oft mit Lokalkolorit in der Bütt. Selbst vor zehn Jahren, als er sein 50-Jähriges feierte, erzählte er auf der Sitzung aus seiner Prinzenzeit.

Damals wie heute immer dabei: seine handbemalte Kladde mit Narrenkappe und Ahrweiler Wappen. "Meine Aufgabe in der laufenden Session war es dann, die vielen, meist von den Vereinen organisierten und mit eigenen Kräften bestrittenen Bälle in der Stadt zu besuchen. Das war schon ein Mammut-Programm. Unterwegs waren wir übrigens in einem kleinen Bus von Hans Gies."

Nie hat er diese Zeit bereut, es habe in der Gesellschaft eine große Harmonie geherrscht. Noch heute hat Fischer, der 1958 die Volksbank-Filiale in Adenau übernahm, dort 1960 für seine Familie ein Haus baute und von 1972 bis zur Pensionierung 1990 bei der Kreissparkasse im Eifelort arbeitete, zu einem Mann aus Ahrweiler eine besondere Beziehung: Willi Groß, der als einziger aus dem Elferrat von 1953 noch lebt. Den wird er beim Festkommers am Freitag in den Arm nehmen und mal kräftig drücken.

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