In der Palliativmedizin ist mehr möglich Der Einzefall muss entschieden werden

BAD NEUENAHR · Beim Thema "Sterbehilfe" stimmen die Vertreter der Parteien überein.

 Podium: (von links) Sebastian Bösel, Ulrike Dobrowolny, Andrea Nahles, Uli Adams, Mechthild Heil und Eckehard Louen in Bad Neuenahr.

Podium: (von links) Sebastian Bösel, Ulrike Dobrowolny, Andrea Nahles, Uli Adams, Mechthild Heil und Eckehard Louen in Bad Neuenahr.

Foto: Martin Gausmann

Das Thema "Sterbehilfe" ist ebenso heikel wie schwierig und hat seinen Weg aus der Tabu-Nische in die öffentliche Diskussion noch nicht so richtig gefunden. Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) setzte das Thema jetzt auf die regionale Agenda mit einer Podiumsdiskussion, die sie im Mehrgenerationenhaus in Bad Neuenahr veranstaltete. Unter der Leitung von Uli Adams sprachen neben Nahles auch die CDU-Bundestagsabgeordnete Mechthild Heil, die Vorsitzende des Hospizvereins Rhein-Ahr Ulrike Dobrowolny, Palliativmediziner Dr. Eckehard Louen vom Krankenhaus Maria Stern in Remagen und der Fernsehjournalist Sebastian Bösel vom Südwestrundfunk über die geplanten Neuregelungen der Sterbehilfe.

Dabei wurde deutlich, dass sich einerseits viele Menschen ein Sterben in Selbstbestimmung, ohne Leiden und ohne Schmerzen wünschen, andererseits aber eine große Unsicherheit besteht über die Angebote gewerbsmäßiger Sterbehilfevereine sowie über die Möglichkeiten und Pflichten der Ärzte. "Ich werde auf jeden Fall zu verhindern versuchen, dass die aktive Sterbehilfe zu einem Geschäft wird", machte Nahles deutlich. Eine gesetzliche Regelung zur Frage des ärztlich assistierten Suizides lehnte sie ab.

Die aktive Sterbehilfe, die Tötung eines Menschen durch einen anderen auf Verlangen, ist mithin strafbar. Die Beihilfe zum Suizid ist dagegen erlaubt, bei der ein Mensch selbsttätig eine Substanz einnimmt, die ihm ein anderer besorgt hat. Der Helfer, auch wenn er Arzt ist, macht sich in diesem Fall nicht strafbar. Auch die passive Sterbehilfe ist erlaubt, etwa durch das Unterlassen oder Abbrechen lebensverlängernder Maßnahmen, wenn dies dem Willen des Patienten entspricht. Schließlich ist auch die indirekte Sterbehilfe gestattet, wenn ein verfrühter Tod durch die hochdosierte Einnahme schmerzlindernder Mittel in Kauf genommen wird.

Man müsse bedenken, dass man nicht jeden Einzelfall genau verfolgen könne und man nicht immer genau wisse, wie freiwillig eine Selbsttötungsabsicht tatsächlich sei, erläuterte Nahles ihren ablehnenden Standpunkt gegenüber einer aktiven Sterbehilfe. Jeder Fall einer nicht ganz freiwilligen Tötung sei ein starker Grund, sehr skeptisch zu sein gegenüber einer Freigabe der aktiven Sterbehilfe.

Auch Mechthild Heil wollte nicht in einem Staat leben, der sich aufgrund eines sich verstärkenden Trends zur Optimierung des Lebens und letztlich auch des Sterbens darauf einlasse, die Würde von hilflosen Menschen einer vermeintlichen Kostenoptimierung zu opfern. So unterschiedlich Nahles und sie auch in den meisten politischen Themen seien - in dieser Sache lägen die beiden Bundestagsabgeordneten hundertprozentig auf einer Linie.

"Es gibt viel zu tun, wenn medizinisch nichts mehr zu machen ist", wusste Palliativarzt Louen aus seiner Erfahrung in der Palliativstation des Remagener Krankenhauses. Es gelte, Solidarität mit Schwerstkranken und Sterbenden zu üben und ihnen zu zeigen: Du bist mit deiner ausweglosen Situation nicht allein. Er stehe oft staunend davor, was Patienten zu erdulden in der Lage seien, wenn sie solch empathische Bezugspersonen an ihrer Seite wüssten. Eine Palliativstation sei sozusagen ein Schutzraum, in dem versucht werde, schweres Leiden erträglich zu machen.

Eine ähnliche Aufgabe hat sich auch der Hospizverein Rhein-Ahr gestellt, berichtete dessen Vorsitzende Ulrike Dobrowolny. Schon jetzt betreue man im Schnitt 330 Menschen im Kreis Ahrweiler ambulant, entweder zu Hause oder in einem Pflegeheim, auf ihrem letzten Weg.

Doch das Richtfest für ein eigenes Hospiz im Ahrtal, das der Verein zusammen mit der Stiftung Bethel und der Marienhaus Unternehmensgruppe betreiben will, sei jetzt gemacht. Ende des Jahres sollen dort zehn stationäre Hospizplätze zur Verfügung stehen. Allerdings sei man für den künftigen Betrieb des Hospizes auf Spenden angewiesen, sie rechnet derzeit mit einem zusätzlichen Finanzbedarf von fast 100 000 Euro pro Jahr. Zehn Prozent der Kosten müssen nämlich von den Trägern aufgebracht werden.

So schloss die Podiumsdiskussion mit der Erkenntnis, dass man die derzeitige Debatte in der Bundespolitik dazu nutzen müsse, um etwas für die Hospize und die Palliativmedizin zu erreichen. Denn in diesen Bereichen sei für todgeweihte Menschen sehr viel mehr möglich, als allgemein bekannt sei. Auf keinen Fall dürfe man eine Grauzone entstehen lassen, in der Nichtmediziner faktisch über Leben und Tod eines Menschen entscheiden könnten.

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